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Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, hat 2007 ein neues Buch vorgelegt. Unter dem Titel „Die Täter sind unter uns“ zieht er fast 20 Jahre nach dem Sturz des SED-Regimes Bilanz unseres Umgangs mit der DDR-Vergangenheit.

Auf unserer Internetseite wollen wir bei „DDRrückseite“ aus dem Buch zitieren.  Dies ist ein kleiner helfender Beitrag, um den „verklärenden Schleier“, der über dem DDR-Geschichtsbild liegt, zu lüften.

DER TAGESSPIEGEL sagt vom Verfasser: „Als Mitarbeiter der Gauck-Behörde machte Knabe dem Osten vor, was Vergangenheitsbewältigung bedeutet: nicht verdrängen, sondern einen Standpunkt einnehmen, auch wenn er unbequem ist.“

In seinem Vorwort stellt Knabe fest: (...) “ Das sozialistische Regime im Osten Deutschlands ist seitdem langsam in Vergessenheit geraden. Eine ganze Generation ist herangewachsen, die die DDR nur noch vom Hörensagen kennt. (...) Seither ist klar, dass im Herbst 1989 zwar das Regime der SED verschwunden ist, nicht aber die Schicht der Funktionäre und Stasi-Offiziere, die es 40 Jahre lang gestützt hat. Die Täter sind unter uns, und sie bedienen sich hemmungslos der Vorzüge der Demokratie. (...) Während Täter, Mitläufer und wohlwollende Betrachter an Zustimmung gewinnen, befinden sich Opfer und Kritiker in der Defensive. (...) Und es zeigt, wie sich die alten Kader neu organisiert haben. (...) Dafür zu sorgen, dass sich ihre Sicht auf die Geschichte nicht durchsetzt, ist hingegen Aufgabe aller, denen die politische Kultur der Bundesrepublik am Herzen liegt.“ (...)

Hubertus Knabe
Die Täter sind unter uns
Über das Schönreden der SED-Diktatur
Propyläen Verlag, Berlin 2007                                                                                ISBN 978-3-549-07302-5

Der 45. Buchauszug vom 19. Januar 2008 in unserer Internet-Seite beendet das abschnittweise Vorstellen des Buches "Die Täter sind unter uns" seit dem 18. Juli 2007.                                                                                                        An dieser Stelle ein Hinweis an neue Leser, die bisher die Auszüge nicht von Anfang an verfolgt haben: Beginnen Sie mit dem 1. Auszug, der ganz "unten" auf dieser  Seite steht!                                                                                           Helmut Unger 

 
45.Buchauszug                                                                                                                          Die Stasi lebt                                                                                     19. Januar 2008
Unwichtige alte Männer? (2. Abschnitt)
(...) Die Folgen ihrer Aktivitäten treffen zunächst sie selbst. Nach der friedlichen Revolution im Herbst 1989 gab es auch für die Stasimitarbeiter die Chance, sich von den Lebenslügen des SED-Staates zu befreien und durch kritische Aufarbeitung der Vergangenheit ihre Menschlichkeit zurückzugewinnen. (...) Doch die zaghaften Ansätze zur geistigen Selbstbefreiung sind lange Geschichte. Fast zwanzig Jahre nach ihrer Entmachtung versichern sich die einstigen Funktionäre durch ihre Vereine, Veranstaltungen und Veröffentlichungen gegenseitig, doch im Recht gewesen zu sein. (...) Wie die Neonazis haben sie sich einen geschlossenen kommunistischen Raum geschaffen, in den die Wirklichkeit kaum noch eindringen kann. Sie haben sich selbst dazu verurteilt, das Leben in der Lüge bis zu ihrem Ableben weiterzuführen.(...) Noch gravierender sind die Folgen für den nicht direkt betroffenen Teil der Gesellschaft. Die ständige Wiederholung der Unwahrheit, das lehrt die Erfahrung, führt zu einer unmerklichen Verschiebung der Wahrnehmung. Wie ein Bazillus nistet sich der Zweifel gegenüber der Wirklichkeit ein, wenn die Lüge nur oft genug wiederholt wird. Je geringer das Wissen, desto schwächer sind die Abwehrkräfte und desto leichter haben es die geistigen Brandstifter mit ihren einfachen Parolen. Jugendliche werden unsicher, wenn sie durch das Internet erfahren, daß ihnen in der Schule und im Fernsehen möglicherweise etwas Falsches gesagt wurde. Frühere DDR-Bürger, die niemals etwas mit dem Regime zutun hatten, fühlen sich angesprochen, wenn Stasi-Offiziere und PDS-Politiker die Kritik am SED-System als Angriff auf ihre Biographien bezeichnen. Wie bei den Rechtradikalen wird die Umdeutung der Geschichte zur Gefahr, wen sie in der Gesellschaft auf fruchtbaren Boden fällt. Längst hat sich im Osten Deutschlands ein hartgesottener Geschichtsrevisionismus breitgemacht, der das demokratische System der Bundesrepublik lieber heute als morgen scheitern sehen möchte. (...) Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht darum, DDR und Nationalsozialismus gleichzusetzen. (...) In den letzten Jahrzehnten hat sich Deutschland den Ruf erworben, die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialistischen Unrechtssystem  besonders gründlich zu führen. Eine vergleichbare Sensibilität gegenüber der kommunistischen Diktatur hat es bislang nicht entwickelt. Die Aufarbeitung der NS-Verbrechen, so scheint es manchmal, hat die Deutschen nicht sensibler, sondern eher blind gemacht für die Untaten andere Regime. Das die meisten SED- und Stasi-Funktionäre heute keinerlei Unrechtsbewußtsein haben, liegt auch daran, das ihre Taten immer vor der Folie des Nationalsozialismus beurteilt und im Vergleich dazu als relativ harmlos eingestuft werden. (...) Die Parlamentarische Versammlung des Europarates fordert bereits 1996 Maßnahmen, um das Erbe des totalitären kommunistischen Systeme zu bereinigen. Im Januar 2006 unterstrich sie erneut die Notwendigkeit, die begangenen Verbrechen klar zu verurteilen: >Die totalitären kommunistischen Regime, die im letzten Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa herrschten und in mehreren Staaten der Welt  noch immer an der Macht sind, waren ausnahmslos durch schwere Menschenrechtsverletzungen gekennzeichnet<, heißt es in der Resolution 1481. (...)

44. Buchauszug                                                                                  17. Januar 2008          Die Stasi lebt                                                                                                              Unwichtige alte Männer (1. Abschnitt)                                                         ISOR, GRH und Insiderkomitee haben zusammen mehr als 25 000 Mitglieder. Sie geben drei monatliche Publikationen heraus, betreiben vier verschiedene Websites mit jährlich ca. 400 000 Nutzern und treffen sich regelmäßig in annähernd zweihundert Ortsgruppen. Die Zahl der in ihrem Umfeld entstandenen Bücher liegt weit über zwanzig, und alle paar Wochen organisieren sie irgendwo in Deutschland eine Veranstaltung. Sie sind vernetzt mit der Linkspartei, und deren Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie mit weiteren Organisationen wie dem Solidaritätskomitee für die Opfer der politischen Verfolgung in Deutschland, der Gesellschaft für Bürgerrechte und Menschenwürde (GBM), dem Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden (OKV), der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), dem Revolutionären Freundschaftsbund e.V.(RFB) oder Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA). Sie finden ein ständiges publizistisches Forum in Zeitungen wie Neues Deutschland, Junge Welt oder RotFuchs sowie in Verlagen wie Edition Ost, Spotless oder GNN. Alles Aktivitäten >alter unwichtiger Männer<, wie der Berliner Journalist Andreas  Förster in Frühjahr 2006 schrieb? Wer meint, man könne die Vereinigungen ehemaliger Staatssicherheitsmitarbeiter ignorieren, da sie über kurz oder lang von allein aussterben, unterschätzt das Problem. (...) Nachdem sie zunächst den Anwehrkampf gegen Strafverfahren und Rentenbeschneidungen geführt haben, geht es ihnen jetzt um etwas, das nicht nur sie betrifft: das zukünftige Bild der untergegangen DDR. War sie eine von der Sowjetunion oktroyierte Diktatur, in der die Freiheit der Menschen mit Füßen getreten wurde, oder womöglich ein ehrenhafter Versuch, eine bessere Gesellschaft aufzubauen? Noch ist offen, als was der zweite deutsche Staat in Erinnerung bleiben wird, und die Systemträger werden alles daran setzen, daß die Frage zu ihren Gunsten beantwortet wird. (...)

43. Buchauszug                                                                                15. Januar 2008 Die Stasi lebt                                                                                                              Das Bündnis mit der PDS                                                                                           Die Stasi-Verbände arbeiten nicht nur untereinander eng zusammen. Durch die Linkspartei.PDS haben sie auch in der Politik einen Bündnispartner, der ihre Forderungen immer wieder in die Parlamente und in die Öffentlichkeit bringt. (...) Dem Stasi-Unterlagen-Gesetz, das 1991 von allen anderen Parteien im Konsens beschlossen wurde, verweigerte sie ihre Zustimmung. (...) Wiederholt legte sie im Bundestag Gesetzesentwürfe vor, die den Waffenträgern der SED ihre alten Privilegien zurückgeben sollten. >Die PDS ist erst dann zufrieden, wenn es kein Rentenstrafrecht mehr gibt<., erklärte PDS-Chef Lothar Bisky im Dezember 2004 auf einer Tagung des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden (OKV), des erwähnten Zusammenschlusses von DDR-Nostalgikern, dem auch GRH und ISOR angehören. (...) Die Linkspartei ist mit den Stasi-Verbänden auch personell eng vernetzt. Viele Parteimitglieder gehören gleichzeitig ISOR, GRH oder dem Insiderkomitee an. (...) Zu den Initiatoren des Insiderkomitees gehörte zum Beispiel der frühere Offizier der Stasi-Spionageabwehr Jörg Seidel, der zum Zeitpunkt der Gründung zugleich Mitglied des Berliner PDS-Vorstandes war. (...) Während sich die Stasi-Vereine den Anschein parteipolitischer Unabhängigkeit geben, arbeiten sie in Wahrheit eng mit der Linkspartei zusammen. Wie ISOR-Geschäftsführer Hypko im April 2006 auf Nachfrage einräumte, unterhält sein Verein >recht gute Beziehungen<. zur Linkspartei. (...) Auch die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, hat ein inniges Verhältnis zu früheren Mitarbeitern des DDR-Staatssicherheitsdienstes. (...) Jelpke  zeigte sich ausdrücklich solidarisch mit den Stasi-Leuten und erklärte zu den Rentenforderungen: >Ich stehe auf Eurer Seite und werde mit Euch dafür kämpfen, dass dieses Unrecht beseitigt wird.< (...) Auch in Sachsen sind PDS und ehemalige Stasi-Offiziere eng liiert. (...) Ihr Sprecher Siegfried Lorenz,  einst Oberstleutnant beim Staatssicherheitsdienst, gegründet dies im April 2006 mit den Worten: >Die Linkspartei unterstützt unser Anliegen.< (...)

42. Buchauszug                                                                               13. Januar  2008  Die Stasi lebt                                                                                                              Haßtiraden gegen Gedenkstätten                                                         

Während die PDS den Eindruck zu erwecken versuchte, ISOR kämpfe lediglich für soziale Belange, wird in kaum einer anderen Organisation der Untergang der DDR-Diktatur so offen bedauert wie hier. Die in der Vereinszeitung festgeschriebene >Achtung des Grundgesetzes<. ist pure Heuchelei. >15 Jahre deutsche Einheit<, so hieß es beispielsweise 2005 in einer Erklärung des Vorstandes zum Jahrestag der Wiedervereinigung, >sind auch 15 Jahre Verteufelung der DDR und der Entwertung ostdeutscher Biographien und Erfahrungen, vor allem mittels Diffamierung der DDR-Grenztruppen und des zur Inkarnation alles Bösen hochstilisierten MfS. (...) Pressemitteilung zum Ausgang der letzten Bundestagswahl: >Ehemalige Mitarbeiter der Schutz-, Sicherheits- und Rechtspflegeorgane der DDR unterliegen nach wie vor einer permanenten Hetz- und Verleumdungskampagne durch Politiker, Medien und professionelle Antikommunisten.<. Auch an der Kampagne gegen die Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen beteiligte sich der Verein. So druckte ISOR aktuell einen Artikel von Ex-Generalmajor Coburger, in dem dieser gegen die Aufstellung eines Original-Gefängniswagens des DDR-Innenministeriums zu Felde zieht. >Nun wird den bisherigen Lügen in Hohenschönhausen über angebliche Folterzellen und Wasserzellen eine weitere Lüge hinzugefügt.<, so der 1990 entlassene Generalmajor. (...) Im April 2006 kam auch GRH-Chef Hans Bauer mit einer Erklärung zu Wort, in der er an die Verhöhnung früherer Stasi-Häftlinge durch Stasi-Mitarbeiter als >Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit< bezeichnete. (...)

41. Buchauszug                                                                           11. Januar  2008 Die Stasi lebt                                                                                                              Tätergewerkschaft ISOR                                                                        Während die GRH als Hilfsverein für straffällige DDR-Funktionäre gegründet wurde, kämpft eine andere Organisation dafür, daß die Privilegien der entmachteten Führungsschicht auch im vereinten Deutschland erhalten bleiben. Die >Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR (ISOR)< (...) hat es sich zum Ziel gesetzt,  daß die Kader des Regimes am Ende ihres Lebens mit üppigen Renten belohnt werden. (...) Wie früher die >Hilfsorganisation auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS (HIAG)< ist auch ISOR davon überzeugt, daß die Mitwirkung an einem Unterdrückungssystem nicht zu Nachteilen bei der Rentenberechnung führen darf. (...) Der Kampfbund für Luxusrenten wurde im Juni 1991 unter maßgeblicher Beteiligung früherer Stasi-Mitarbeiter in der Mildred-Harnack-Oberschule im Berliner Bezirk Lichtenberg aus der Taufe gehoben. (...) Ein knappes Jahr später trug das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg ISOR in das Vereinsregister ein. (...) ISOR ist die schlagkräftigste Interessenorganisation ehemaliger DDR-Funktionäre. Der Verein hat mehr als 24000 Mitglieder; weitere 7000 sind in den letzten Jahren verstorben. Die einstigen Regimeträger sind in 188 Territorialen Initiativgruppen (TIG) organisiert, die sich über ganz Ostdeutschland verteilen. (...) Für die ISOR-Mitglieder hat sich der Verein schon heute bezahlt gemacht. >Wenn wir vor 15 Jahren dem Rat der sogenannten Bürgerrechtler gefolgt wären<, erklärte der letzte Chef der DDR-Volkspolizei, Dieter Winderlich, im Juni 2006, >dann wäre ISOR schon Geschichte. Wir sollten uns in Demut verkriechen, vor diesem und jenem für alles entschuldigen, ja nicht selbstbewußt unser Haupt erheben, sondern zufrieden sein mit dem, was uns SPD, CDU, FDP und Bündnis90/Die Grünen an Rente zugestehen.< (...) Mindestens ebenso wichtig ist der politische Kampf. Da der Verein in den Medien nur geringe Resonanz findet, hat er sich eine besondere Form der Einflußnahme ausgedacht: In gut organisierten Kampagnen werden die Mitglieder angehalten, massenhaft Briefe an Politiker und Behörden zu schreiben. (...) Ein anonymer Stasiauswerter - den Angaben nach kann es sich nur um Insiderkomiteesprecher Schmidt handeln - schreibt zum Beispiel, (...) >Es geht mir dabei nicht nur um die Aufhebung einer finanziellen Benachteiligung, sondern vor allem auch um die Beendigung der Diskriminierung meiner persönlichen Lebensleistung, um eine Frage der Menschenwürde<, schließt er seinen fünfseitigen Brief. Die Abgeordneten des Bundestages sollen seinen 25-jährigen Einsatz für die Verfolgung Andersdenkender bei der Rentenberechnung als >Lebensleistung<. anerkennen. (...)

40. Buchauszug                                                                              6. Januar 2008 Die Stasi lebt                                                                                                             Kampf um das Geschichtsbild                                                                 Seitdem die Mauerschützenprozesse zum Abschluß gekommen sind, steht auch für die ehemaligen Grenztruppenoffiziere der Kampf um das Geschichtsbild im Vordergrund. (...) Das Internet ist voll von ihren Grußworten, Aufrufen, pseudo-objektiven Geschichtsdarstellungen und politischen Haßgesängen. (...) Im Herbst 2003 beschäftigte sich das Grenzertreffen in Berlin-Lichtenberg zum ersten Mal ausführlich mit der Frage, wie die Tradition der DDR-Grenztruppen in Deutschland wach gehalten werden könne. Als Redner hatte man unter anderem den ehemaligen stellvertretenden Verteidigungsminister der DDR, Fritz Strelitz, eingeladen, den das Berliner Landgericht 1993 wegen Anstiftung zum Totschlag zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt hatte. (...) Wie die Stasi-Obristen beschlossen auch die Grenztruppenoffiziere, mit einer eigenen Publikation der kritischen Aufarbeitung der DDR-Geschichte entgegenzutreten.  Als Herausgeber sollte der langjährige Chef der Grenztruppen, Klaus-Dieter Baumgarten, und der ehemalige Kommandeursausbilder, Peter Freitag auftreten. (...) Pünktlich zum Mauerbau im August 2004 lud der Verlag in Berlin zu einer Pressevorstellung des Buches ein. Wider besseres Wissen behauptet Baumgarten darin, daß die Todesautomaten an den Grenzen vor allem das Eindringen westlicher Provokateure verhindern sollten. (...) In Wirklichkeit, so ein Rezensent in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, hatte Baumgarten noch 1984 für die Ausbildung der Grenzer angeordnet: >Wirkungsvoller muß es uns gelingen, Abscheu und Haß gegenüber den imperialistischen Söldnern, allen antisozialistischen Elementen und ihren Helfershelfern zu erzeugen. (...) Treffen mit den ersten Schuß - das gilt auch für die tägliche Agitation.< Als am ersten Tag des Ausbildungsjahres der zwanzigjährige Michael Schmidt  aus hundertfünfzig Meter Entfernung mit Dauerfeuer erschossen wurde, ließ Baumgarten den Todesschützen mit der „Medaille für vorbildlichen Grenzdienst“ und einer Geldprämie auszeichnen. (...)

39. Buchauszug                                                                              4. Januar 2008 Die Stasi lebt                                                                                                              Grenzertreffen in Berlin                                                                         Eine GRH-Arbeitsgruppe von ähnlich großer Bedeutung wie die AG Sicherheit ist die AG Grenze. In ihr haben sich seit 1994 ehemalige Angehörige der DDR-Grenztruppen zusammengeschlossen. (...) >Durch Sicherheit an den Grenzen gaben wir unserer Staatsführung die Möglichkeit, den friedlichen Aufbau der Volkswirtschaft zu beginnen und weiterzuführen<, erklärte etwa der ehemalige Generalmajor Bernhard Geier beim Herbsttreffen 2003. Geier war in den siebziger Jahren Kommandeur des Grenzkommandos Mitte, das die Berliner Mauer bewachte. Im August 1999 wurde er wegen Totschlags und Beihilfe zum Totschlag zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. >Unserer Bevölkerung gaben wir die Sicherheit eines störungsfreien Lebens von außen.< (...) Höhepunkt dieses Zynismus ist es, wenn die Grenztoten für ihre Ermordung auch noch selbst verantwortlich gemacht werden. Das zeichnet zum Beispiel die Veröffentlichungen des früheren Leiters des Instituts für Strafrecht an der Ost-Berliner Humboldt-Universität, Erich Buchholz, aus. (...) In einem Sonderheft der DRH rechtfertigt Buchholz die Todesschüsse an der Mauer unter anderem mit dem Argument, daß >es die Grenzverletzer waren, die die Grenzsoldaten zum Handeln  nach den Schußwaffengebrauchsbestimmungen veranlaßten.< Die Mauerschützen hätten also quasi in Notwehr gehandelt. (...) In den neunziger Jahren richteten sich die Aktivitäten der AG Grenze vor allem gegen die Versuche der Justiz, die Verbrechen an der innerdeutschen Grenze strafrechtlich aufzuarbeiten. (...) Zu einem regelrechten Märtyrer versuchte die GRH den letzten SED-Führer Egon Krenz aufzubauen. Als langjähriges Mitglied des Politbüros und ZK-Sekretär für Sicherheit hatte er das Grenzregime der DDR wesentlich mitzuverantworten. 1997 wurde er deshalb wegen Totschlags in vier Fällen zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. (...)  Krenz selbst erhielt schwülstige Solidaritätsadressen, die ihm noch im Gefängnis darin bestärkten, nicht das geringste Schuldgefühl für den Tod unschuldiger Menschen zu zeigen. (...) In einem Brief hatten die Grenzer (...) versichert: > Mit Aufmerksamkeit, aber auch mit Wut und Empörung haben wir zur Kenntnis genommen, daß die bundesdeutsche Politik und Justiz Dir, gegen Recht und Gesetz, noch immer die Freiheit verweigert. (...) Das Verhalten der BRD Dir und den anderen inhaftierten Genossen gegenüber ist Teil ihres Vorhabens, die Leistungen der DDR und ihrer Bürger aus dem Gedächtnis der Menschen und den Geschichtsbüchern zu streichen.<

38. Buchauszug                                                                              1. Januar 2008 Die Stasi lebt                                                                                                              Die Hohenschönhausen-Lüge                                                                 Von Anfang an richteten sich die Attacken der Obristen vor allem gegen die Gedenkstätte im ehemaligen Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen. Die Einrichtung ist in Stasi-Kreisen besonders verhaßt, weil in der Regel frühere Häftlinge die Besucher durch das Gebäude führen. Sie berichten dabei aus eigener Anschauung, wie sie von Wärtern und Vernehmern des DDR-Staatssicherheitsdienstes behandelt wurden. (...) Schon 2002 hatte der frühere Gefängnischef Rataizick, der zugleich oberster Kontrolleur aller siebzehn Stasi-Untersuchungshaftanstalten gewesen war, in einem Beitrag für das Obristen-Buch schwere Vorwürfe gegen die Gedenkstätte erhoben: >(...) ist als Gedenkstätte zur Kronzeugin gegen das MfS, seiner Untersuchungsorgane und den Untersuchungshaftvollzug gemacht worden. Und weil nicht sein kann, was  nicht sein darf, werden Gräuelmärchen erfunden, (...)< (...) Rataizick war ein überzeugter Hardliner. Obwohl er wie kein anderer mit den menschlichen Tragödien konfrontiert war, die das Unterdrückungsregime der SED hervorbrachte, befielen ihn niemals Zweifel an der Richtigkeit seines Tuns. > Ich möchte keinen Tag missen, würde es jederzeit wieder machen<, erklärte er 2002 dem Journalisten Jürgen Schreiber, als der ihn porträtierte. (...) Für seine Arbeit über die > höheren Anforderungen an die Durchsetzung des Untersuchungshaftvollzugs  und deren Verwirklichung in den Untersuchungshaftanstalten des MfS < verleih ihm die Stasi-Hochschule Potsdam 1984 sogar einen Doktortitel. (...) Der Kampf gegen die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen fand seinen vorläufigen Höhepunkt in einer Broschüre, die im Sommer 2005 unter dem Titel > Das Gruselkabinett des Dr. Knabe(lari)<. erschien. Ein ehemaliger Dozent der Pädagogischen Hochschule in Dresden, der dank des Einigungsvertrages seinen Professorentitel führen darf, rechnet in der 128 Seiten Kampfschrift mit der Gedenkstätte ab, dass man noch heute Mitleid mit seinen Studenten bekommt. In wirren Abfolge zitiert Horst Schneider (...) > Als Zeitzeugen gelten hier wie auch anderswo zeitgeistgemäß ausschließlich sogenannte Opfer, selbst wenn sie als kriminelle Verbrecher gegen geltendes Recht der DDR oder Völkerrecht verstoßen haben<, so der Autor. (...)  Strausberger Schüler, die die Gedenkstätte besucht hatten, berichteten im Oktober 2006 im MDR-Fernsehmagazin >Fakt<. (...) > Zu uns hat Herr Rataizick gesprochen und hat wirklich alles dementiert, was wir in Hohenschönhausen gesehen und auch erlebt haben<, erzählt eine Schülerin des Oberstufenzentrums Märkisch-Oberland, an das die GRH eine ihrer Broschüren geschickt hatte. > Für mich hat er es hingestellt, als wäre dort ein Spaßbad gewesen, er hat erzählt, dass dort ein Schwimmbad für die Gefangenen, dass eine Bibliothek dort war, da die Gefangenen regelmäßig Ausgang hatten.< (...)

37. Buchauszug                                                                         29. Dezember 2007  Die Stasi lebt                                                                                                              Schaltstelle der Stasi-Obristen (Abschnitt 2)                                          (...) Jetzt wagten sich erstmals die Verantwortlichen für die Bespitzelung der DDR-Bevölkerung und Inhaftierung Zehntausender mit einem eigenen Buch an die Öffentlichkeit. (...) Die Liste der Autoren - elf Generäle, fünf Obristen und vier Oberleutnants - liest sich wie ein Who's who des Staatssicherheitsdienstes. (...) Einige, wie Werner Irmler, einst Leiter der Zentralen  Auswertungs- und Informationsgruppe, Karli Coburger, der oberste Verantwortliche für Festnahmen und Beschattungen, oder Gerhard Niebling, der Hauptbekämpfer von Flüchtlingen und Ausreisewilligen, hatten sich in den fünfziger Jahren persönlich als Vernehmer im Stasi-Gefängnis Berlin Hohenschönhausen hervorgetan. Durch systematischen Schlafentzug, monatelange Isolation und entwürdigende Beschimpfungen wurden die Häftlinge dort zu - vielfach falschen - Geständnissen gepreßt. (...) Im April 2002 stellte die Zeitung RotFuchs das Buch in Berlin vor etwa zweihundert ehemaligen Offizieren und PDS-Mitgliedern vor: >Es gibt keinen Grund zur Reue<., heizte Schwanitz im vollbesetzten Versammlungssaal des früheren Redaktionsgebäudes des Neuen Deutschland seine Genossen an. (...) Als in der Diskussion Sigrid Paul, eine ehemalige Inhaftierte aus dem Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, zu Wort meldete und berichtete, wie sie Blut und Urin aus einer Zelle habe schrubben müssen, schallte ihr nur höhnisches Gelächter entgegen. (...) Die MfS-Offiziere in der GRH beschränkten sich aber nicht nur auf publizistische Aktivitäten. Seit Jahren machen sie auch gegen die Erinnerung an das DDR-Unrecht durch Gedenkstätten und Hinweistafeln mobil. 2003 zum Beispiel protestierten sie mit eine Flut von Briefen an die Bürgermeisterin des Bezirks Lichtenberg  und andere PDS-Politiker gegen das Vorhaben, an der ehemaligen Stasizentrale in der Normannenstraße eine Gedenktafel anzubringen. Der Text der Tafel sollte daran erinnern, daß die Stasi >durch politische Willkür, Terror und Überwachung der Bevölkerung die Diktatur der SED sicherte< - in den Augen der Obristen eine Provokation. (...) Im Januar 2004 wurde das Schild schließlich angebracht. (...) 

36. Buchauszug                                                                           23. Dezember 2007 Die Stasi lebt                                                                                                              Schaltstelle der Stasi-Obristen (Abschnitt 1)                                                     Als heimliche Schaltstelle ehemaliger Stasi-Offiziere fungiert seit Jahren die AG Sicherheit der GRH. Zu deren Mitliedern zählen führende MfS-Verantwortliche wie der ehemalige Mielke-Stellvertreter Wolfgang Schwanitz und der letzte Berliner Stasi-Chef Siegfried Hähnel. (...) Noch im November 1989 machte der neue DDR-Ministerpräsident Hans Modrow Schwanitz zum Chef des Staatssicherheitsdienstes. Noch vierzehn Tage nach dem Mauerfall erklärte dieser in einer geheimen Besprechung, daß es die Aufgabe der Stasi sei, >die Regierung und die Parteiführung wirksam dabei zu unterstützen, die gefährlichen Entwicklungen in unserer Gesellschaft zunächst zu stoppen.< (...) Seinen Leuten befahl er deshalb, die oppositionellen Bürgerbewegungen mit IM zu unterwandern. >Es steht auf dem Spiel unsere Macht, darüber darf man sich keine Illusionen machen.< (...) Daß die personellen Strukturen der Stasi die Auflösung des Ministeriums weitgehend überstanden hatten, wurde erstmals im März 2001 sichtbar, als eine Gruppe hochrangiger Obristen in der ehemaligen FDJ-Zeitung Junge Welt eine gemeinsame Erklärung veröffentlichte. (...) >Unter von falschen Zahlenmaterial, Verdrehungen von Sachverhalten und der Erfindung von Schauermärchen wird versucht, die DDR als Unrechtsstaat darzustellen, und der Anschein erweckt, daß die DDR-Bürger flächendeckend überwacht und bespitzelt wurden<, protestierten die Stasi-Funktionäre in ihrer Erklärung. Die Inoffiziellen Mitarbeiter (IM), die von der >Notwendigkeit der Sicherung ihres Staates erfüllt< gewesen seien, hätten eine >ehrenhafte diskrete Aufgabe übernommen<, >Verfassungspflichten<. erfüllt und mit ihrer >vorbeugenden schadensverhütenden Tätigkeit< zur <Entlarvung von Spionen, kriminellen Menschenhändlern, Terroristen und anderen Feinden der DDR beigetragen<. (...) >Heute wollen die Täter von einst - darunter Mörder, Terroristen, Nazis, Spione, Schädlinge, Diversanten und skrupellose Menschenhändler - von solchen Verletzungen geltendes Rechts entweder nichts mehr wissen, oder sie geben sie als eine Art von Heldentum aus< (...) Opferverbände forderten daraufhin die Staatsanwaltschaften in Halle und Berlin auf, Ermittlungen wegen Beleidigung aufzunehmen. (...) Doch keiner der Obristen wurde je zur Rechenschaft gezogen. (...)

35. Buchauszug                                                                         17. Dezember 2007  Die Stasi lebt                                                                           
Hilfsverband für Kriminelle                                                                                 Besser organisiert als das Insiderkomitee ist ein Verein, in dem sich Hunderte Verantwortliche des DDR-Repressionsapparates zusammengeschlossen haben: die Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung e.V. (GRH). Ehemalige Politbüromitglieder, Minister, Stasi-Offiziere und Grenzsoldaten haben sie 1993 gegründet, um zu verhindern, das sie für ihre Verbrechen während der SED-Herrschaft bestraft werden. (...) Die Regimeträger sollten nicht nur juristisch, sondern auch finanziell und politisch unterstützt werden - ein Hilfsverband für Staatskriminelle, den das Berliner Finanzamt skandalöserweise als gemeinnützig anerkannt hat. Unter den mehr als 1400 Vereinsmitgliedern (hinzu kommen 460 spendende Sympathisanten) finden sich Spitzenfunktionäre (...) Die Liste der bekannten Namen reicht von Honecker-Nachfolger Egon Krenz über den letzten Stasichef Schwanitz bis hin zum früheren Umweltminister Hans Reichelt, der die DDR in seiner sechzehnjährigen Amtszeit an den Rand einer ökologischen Katastrophe führte. (...) In zahlreichen ostdeutschen Städten und in Ost-Berliner Bezirken verfügt die Organisation über Territoriale Arbeitsgruppen (TAG). (...) Ihre politischen Aktivitäten bündeln sich dabei in zentralen Arbeitsgruppen (AG): von der AG Recht ehemaliger SED-Juristen über die AG Aufklärer einstiger DDR-Spione bis hin zur AG Sport, in der sich die Verantwortlichen für das DDR-Staatsdoping organisiert haben. (...) Der Verein ist eine merkwürdige Mischung aus linksradikaler Antifa und DDR-Seniorenverband. (...) Bundesweit bekannt geworden ist die GRH durch ihren Kampf gegen die Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen. (...) Nach Auffassung des Vereins hätte überhaupt kein Verantwortlicher für die über vierzigjährige Unterdrückung in Ostdeutschland zur Rechenschaft gezogen werden dürfen. >Die DDR<., so ihr Vorsitzender Bauer im Frühjahr 2004, >war trotz aller Fehler und Mängel das bessere Deutschland.<

34. Buchauszug                                                                          14. Dezember 2007 Die Stasi lebt                                                                                                              Tschekistisches Seelenleben                                                                    In der DBM fungierte das Insiderkomitee einige Jahre lang als eine Art Selbsthilfegruppe für anonyme Stasi-Bedienstete. (...) Im Mittelpunkt der abendlichen Diskussionen stand die Frage, die ehemalige Stasi-Leute bis heute ratlos macht: Wie war es möglich , daß die DDR im Herbst 1989 so sang- und klanglos zusammengebrochen war. (...)  Wie Mitglieder einer Sekte montierten sich die Stasi-Offiziere die Wirklichkeit zurecht, um ihrem Scheitern nicht ins Auge sehen zu müssen. Keiner hatte die Stärke, einzuräumen, daß er sich einem Irrglauben verschrieben hatte, der ein unterdrückerisches System hervorbrachte. (...) Ausblenden müssen sie dafür zum Beispiel. daß die SED von Anfang an gegen eine Mehrheit der Bevölkerung regierte und nur mit Hilfe der Bajonette der Besatzungsmacht die Herrschaft übernehmen konnte. (...) Und nicht Volksverbundenheit, sondern das Ausbleiben entsprechender Befehle führte im Herbst 1989 dazu, daß das MfS den revolutionären Entwicklungen tatenlos zusah. (...) Zu den Lebenslügen der Obristen gehört auch, daß ihr Tun gesetzlich legitimiert sei. (...) In Wirklichkeit waren die Kompetenzen des Staatssicherheitsdienstes gerade nicht gesetzlich geregelt. Das einzige Gesetz zum MfS stammt vom Februar 1950 und besteht lediglich aus der Mitteilung, daß die bisher dem Innenministerium unterstellte Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft zu einem selbständigen Ministerium für Staatssicherheit umgebildet werde. (...) Für den Untergang des SED-Staates machten die Tschekisten vor allem zwei Schuldige verantwortlich: die greise Parteiführung unter Honecker und den Verräter im Kremel - Michael Gorbatschow. (...) Zur Selbstkritik lassen sich die Insider nur in Ausnahmefällen hinreißen. (...) Nachlesen kann man all dies in dem zweimonatlich erscheinenden Vereinsblättchen IK-KORR. Seiner Qualität nach erinnert es eher an die Mitteilungen eines Kleingartenvereins als an Analysen hochrangiger Geheimdienstkader. (...) <Die Übereinstimmung in diesem Wollen ebenso wie das Niveau der Diskussion an diesem Abend bestärkt uns darin, die nächste solche Veranstaltung für Januar 1998 vorzubereiten<, lautete zum Beispiel einer der typischen Mielke-Sätze, für die zumeist Klaus Panster verantwortlicht zeichnet, ein promovierter Oberstleutnant, der früher DDR-Soldaten überwachte. (...) Neben den monatlichen Zusammenkünften haben die Insider inzwischen das Internet für sich entdeckt. (...) Unermüdlich bestückt Sprecher Schmidt die Homepage des Komitees (...) Klickt man auf die von ihm betreuten Seiten, ist man mitten in der Welt der Stasi-Nostalgiker. (...)

33. Buchauszug                                                                          11. Dezember 2007 Die Stasi lebt                                                                                                             Umschreibung der Vergangenheit                                                          (...) Eine erste große Gelegenheit zur Umschreibung der Vergangenheit bot sich im Rahmen der sogenannten Alternativen Enquete-Kommission Deutsche Zeitgeschichte. (...) dem siebzehnköpfigen Vorstand der Alternativen Kommission gehörten unter anderem das Mitglied der Historischen Kommission der PDS Jochen Czerny, die stellvertretende PDS-Vorsitzende Marlies Deneke und der ehemalige Präsident der DDR-Volkskammer Günter Maleuda an. Im Dezember 1993 und im Mai 1994 befaßte sich die Kommission mit dem Thema >Geheimdienste in Deutschland von 1945-1990<.. (...) Von welchem Geist die Veranstaltung getragen war, zeigte sich spätestens dann, als der Kommissionsvorsitzende Wolfgang Harich den Tod des langjährigen SED-Chefs Erich Honecker vermeldete und ehrfurchtsvoll seiner gedachte. (...) Das Komitee bemühte sich auch, auf Debatten um ehemalige Stasi-IM in den Kirchen Einfluß zu nehmen. Seit der Öffnung der Akten im Januar 1992 war eine Reihe führender Kirchenfunktionäre als MfS-Zuträger enttarnt worden. Die öffentliche Aufmerksamkeit konzentrierte sich dabei vor allem auf den Fall des brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe. Im Sommer 1993, als der Untersuchungsausschuß im Brandenburgischen Landtag die Öffentlichkeit beschäftigte, veröffentlichte das Insiderkomitee ein Traktat, das ihn auf subtile Weise entlastete entlastet. Die Autoren, darunter Insidersprecher Schmidt, behaupteten zum Beispiel, das MfS hätte bei den Kirchen auch solche Personen als IM verzeichnet,  die gar nicht mit dem Staatssicherheitsdienst kooperiert hätten (...) Das Komitee war aber mit dem Erreichten nicht zufrieden. So konstatierte Hartmann auf der Historischen Konferenz der PDS im November 1995, dass unter Dutzenden von Buchveröffentlichungen zum Staatssicherheitsdienst nur sieben von ehemaligen MfS-Mitarbeitern verfasst worden seien. >Haben wir einstigen Revolutionäre so resigniert ?< (...) Die Mitgliederversammlung beschloß deshalb 1997, den eingetragenen Verein aufzulösen und sich als Arbeitsgemeinschaft in der Gesellschaft für Bürgerrechte und Menschenwürde e. V.  (GBM) zu organisieren. (...)

32. Buchauszug                                                                            4. Dezember 2007 Die Stasi lebt                                                                                       Verfrühte Absolution                                                                             Absolution fanden die entmachteten Überwacher paradoxerweise zuerst bei ihren Feinden. Bürgerrechtler und Kirchenvertreter erwiesen sich nach dem Sturz der SED-Diktatur als großmütige Sieger. (...) Das protestantische Versöhnungsbedürfnis führte dazu, daß in verschiedenen Gemeinden Ostdeutschlands sogenannte Täter-Opfer-Gesprächskreise entstanden.(...) Zu ihren Gründern gehörte der Ost-Berliner Ober Konsistorialrat  Ulrich Schröter, der viele hochrangige Obristen persönlich kannte. (...) In einem Erfahrungsbericht beschreibt Schröter später, auf welche Weise er Täter und Opfer zusammen gebracht habe: Die > Achtung untereinander als Menschen<. sei die wichtigste Voraussetzung gewesen, denn wer über eigene Schuld spreche, werde dies in aller Regel, nur in einer Atmosphäre des Vertrauens tun. Die ehemaligen Stasi-Mitarbeiter seien dabei, >die Angefragten, Angegriffenen und somit in keiner leichten Rolle<. gewesen.(...) Der Kreis in der Berliner Erlöserkirche zählte zu den Geburtsstunden späterer Stasi-Zusammenschlüsse. (...)Daß man sie als Gleichberechtigte behandelte, empfanden sie als stillschweigende Rehabilitierung. (...) Mit der Zeitschrift Zwie-Gespräch, die Schröter und sein Mitstreiter Dieter Mechtel, ein ehemaliger Oberst der Volkspolizei, zwischen 1991 und 1995 herausgaben, erhielten die Obristen auch ein publizistisches Forum. Ungeniert konnten sie sich darin ausbreiten und in zahllosen Artikeln ihre frühere Tätigkeit rechtfertigen (...) Im Zwie-Gespräch kann man nachlesen, wie die Stasi-Leute kurz nach ihrer Entmachtung Anfang 1990 zu altem Selbstvertrauen zurückfanden. (...) Beispielhaft sind die Abhandlungen von Kurt Zeiseweis, einem langjährigen Mitarbeiter der Berliner Stasi-Verwaltung, der als >Stellvertreter Operativ<. der Abteilung XX an führender Stelle politische Kritiker in der DDR-Hauptstadt bekämpfte.(...) Im Zuge der Täter-Opfer-Gespräche, so schrieb er etwa 1993, habe sich seine frühere Position verfestigt, >diesen Menschen wenig Achtung entgegen zu bringen<.. Er sehe keinen Anlaß, sich bei ihnen zu entschuldigen, denn >ich weiß auch heute nicht, was ich hätte wesentlich anders machen können bzw. müssen<. (...) Die Toten an der Grenze rechtfertigte Zeiseweis als >das kleine Opfer<.  gegenüber einer Restaurierung des Kapitalismus in der DDR. >Ich habe mit dien Menschen nicht mehr Mitleid empfunden, als mit jenen, die im trunkenen Zustand bei Glatteis gegen den Baum rasen oder die bei einem Bankeinbruch ihr Leben lassen.<.

31. Buchauszug                                                                         30. November 2007 Die Stasi lebt                                                                                       Hochburgen einer untergegangenen Diktatur                                               (...) Das Land bekam schlagartig vor Augen geführt, daß sich die Mitarbeiter des DDR-Staatssicherheitsdienstes mit der Abschaffung ihres Amtes nicht in Luft aufgelöst hatten. (...) Und sie versuchen mit wachsender Aggressivität, die mehr als 40jährige SED-Diktatur wieder hoffähig zu machen.  Es sind nicht zwei oder drei Ewiggestrige, sondern Zehntausende, die dem untergegangenen DDR-Regime nachtrauern. Die SED hatte 1989 alleine 44 000 hauptamtliche Funktionäre. Hinzu kamen 88 000 nebenamtliche Parteifunktionäre, über 21 000 Mitglieder und Kandidaten der Bezirks- und Kreisleitungen und etwa 150 000 Funktionäre der Massenorganisationen. In Verwaltung und Staatswirtschaft arbeiteten weitere 150 000 zuverlässige Kader und in der Nationalen Volksarmeee (NVA) und der Volkspolizei etwa 40 000 SED-treue Offiziere. Ingesamt umfaßte die Funktionärsschicht, auf die sich das Politbüro bedingungslos stützen konnte, etwa 300 000 bis 400 000 Personen. Alleine das DDR-Ministerium für Staatssicherheit hatte die Ausmaße einer ganzen Armee. Schon 1953 übertraf es mit 12 000 Beschäftigten die Personalstärke der Gestapo, die mit dem Deutschen Reich ein ungleich größeres Land zu überwachen hatte. Am Ende, im Herbst 1989 umfaßte der Staatssicherheitsdienst über 270 000 hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter (...) Ein Drittel der Stasi-Hauptamtlichen lebte in Berlin. (...) Namentlich die Straßenzüge um die Stasizentrale in Lichtenberg und das Sperrgebiet Hohenschönhausen waren überwiegend von MfS-Mitarbeitern bewohnt. (...) Siebzehn Jahre nach dem Sturz des SED-Regimes haben nur wenige ihre angestammten Quartiere verlassen. Der frühere Gefängnischef von Hohenschönhausen wohnt immer noch im alten Villenviertel der Stasi-Generäle.(...)  Für die Systemträger der DDR war die Zeit der kommunistischen Diktatur die schönste Zeit ihres Lebens. Sie hatten Macht, Einfluß und Privilegien  - die friedliche Revolution hat ihnen das alles genommen. (...) Sie wollen partout nicht wahr haben, daß sie einem unmenschlichen Regime gedient haben. (...)

30. Buchauszug                                                                          27. November 2007  Die Stasi lebt                                                                                                 Aufmarsch der alten Kader                                                                     Berlin-Hohenschönhausen: Seit einer halben Stunde strömen kleine Gruppen älterer Herren in einen hässlichen Neubau der Honecker-Ära. Der PDS-regierte Stadtbezirk hat zu einer Veranstaltung >Sperrgebiet Berlin-Hohenschönhausen. Markierung des öffentlichen Stadtraumes< eingeladen. (...) Auf der Einladungskarte steht nicht, von was für einen Sperrgebiet die Rede ist. Doch die alten Männer mit den bitteren Gesichtszügen wissen auch so, worum es geht - um die ehemalige Sperrzone des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Das etwa einen Quadratkilometer große Areal war zu DDR-Zeiten so geheim, daß es sogar in den Ost-Berliner Stadtplänen unterschlagen wurde. In dem Gefängnis befindet sich heute eine Gedenkstätte. (...) Als das Publikum um Wortmeldungen gebeten wird, schnellen Dutzende Arme in die Luft. Als erster meldet sich der ehemalige Stasi-Oberstleutnant Dieter Skiba: > Ich war der letzte Leiter der Hauptabteilung IX/1, dessen Dienstgebäude sich in diesem Komplex befindet, der nun zu einer Gedenkstätte oder was weiß ich, umfunktioniert werden soll <, stellt er sich vor. (...) Nach ihm kommt Siegfried Rataizick zu Wort, der Mielkes Gefängnis seit 1963 geleitet hat. >Es wird mir wahrscheinlich sehr schwer fallen, mich kurz zu fassen in meiner Eigenschaft als ehemaliger Leiter der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit.< Der frühere Oberst beschwert sich über die ehemaligen Häftlinge, die heute Besuchergruppen durch das Gefängnis führen. Er nennt sie die > sogenannten Museumsführer, die immer wieder, immer wieder, und das ist leider so, immer wieder sich als Opfer darstellen und wir als ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit als Täter deklariert werden.< (...) Deutschland im Frühjahr 2006.

29. Buchauszug                                                                          25. November 2007 Opfer ohne Lobby                                                                                                     DDR-Enteignungen ohne Entschädigung                                        Gesetzliche Ausnahmegenehmigungen  und juristische Spitzfindigkeiten haben dazu geführt, daß auch Tausende enteignete DDR-Bürger ihren Besitz nicht mehr zurückerhielten. (...) Meist waren sie in Nacht-und-Nebel-Aktionen aus ihren Häusern vertrieben und kurz darauf enteignet worden, damit die Grenzsoldaten ein freies Schußfeld hatten. Die Rechtsgrundlagen dafür schuf die DDR erst mit dem Verteidigungsgesetz vom September 1961, das im Januar 1962 auch für Ost-Berlin rückwirkend in Kraft gesetzt wurde (...) Erst 1996 verabschiedeten die Abgeordneten das Mauergrundstücksgesetz - und beschlossen damit die zweite Enteignung der Betroffenen: Die früheren Eigentümer der Grundstücke entlang der Grenze erhielten nämlich nur das Recht, ihren angestammten Besitz zu einem Viertel des Verkehrswertes vom Staat zurückzukaufen oder sich mit einer Entschädigung in Höhe von 75 Prozent zu begnügen. (...) Nur die Zwangsausgesiedelten im Vorfeld der Grenze konnten sich darauf berufen, im >Einzelfall<. enteignet worden zu sein, da die SED lediglich die >unzuverläßigen Elemente< ins Landesinnere deportieren ließ. Doch da die Folgen >unmittelbar und unzumutbar<. fortwirken müssen, bekamen sie meist keine anderen Hilfen. (...) Auch diejenigen, die von den DDR-Behörden zum Verkauf ihrer Grundstücke gezwungen worden waren, gingen häufig leer aus. Vergeblich um die Rückgabe seines Eigentums kämpfte zum Beispiel der Besitzer eines Grundstücks in Berlin-Wilhelmruh, der dort bis zum Mauerbau in einem kleinen Einfamilienhaus gelebt hatte. Kurz nach dem 31. August 1961 zwangen die Behörden die Familie, das Grundstück zu verlassen und in eine Mietwohnung mit zweieinhalb Zimmern zu ziehen. (...) Nach der friedlichen Revolution weigerte sich das Amt für offene Vermögensfragen, das Grundstück seinen ursprünglichen Besitzer zurückzugeben. Zur Begründung teilte es mit, das man diesen zwar zum Verkauf gezwungen habe, doch dieser Zwang nach dem damals gültigen Recht der DDR nicht als rechtswidrig einzustufen sei - von einer Nötigung könne deshalb nicht ausgegangen sein. (...)

28. Buchauszug                                                                    21. November 2007  Opfer ohne Lobby                                                                                            Staatlich sanktionierter Diebstahl                                                           Die Gewalt des <SED-Regimes schlug sich nicht nur in Verhaftungen und der Deformierung beruflicher Lebensläufe nieder. Politisch motivierte Enteignungen und Beschlagnahmen bestimmten von Anfang an die Praxis des kommunistischen Regimes. Schon im Juli 1945 ordnete die sowjetische Besatzungsmacht die Beschlagnahme der Banken an. Im September begannen die entschädigungslose Enteignung von 11000 Landbesitzern, die von ihrem Besitz vertrieben und ihres gesamten Vermögens beraubt worden. Wenig später setzte die Enteignung von annähernd 10000 Betrieben in Industrie und Handwerk ein. (...) Kurz nach der Gründung der DDR folgte eine zweite Enteignungswelle. Im Rahmen der Aktion >Ungeziefer<. wurden ab Mai 1952 mehr als 2300 als >unzuverlässig< eingestufte Familien mit über 8300 Personen aus dem Gebiet an der Grenze zur Bundesrepublik zwangsausgesiedelt. Die Bauern verloren nicht nur ihr Land, sondern mußten auch ihr Vieh und ihre Gerätschaften zurücklassen. Als SED-Chef Walter Ulbricht wenig später den >Aufbau des Sozialismus<. ausrief, wurden im Zuge der anlaufenden Kollektivierungskampagne über 24000 Eigentümer von ihren Höfen vertrieben. Unter massiven Druck gaben auch im Bereich des Handwerks rund 45000 Meister ihre Firmen auf. An der Ostseeküste wurde im Rahmen der Aktion >Rose<. zudem 440 Hotels und Pensionen beschlagnahmt, inklusive Grundstücke, Bargeld, Konten, Schmuck, Wertsachen und über hundert Kraftfahrzeuge. (...) Nach dem Ende der SED-Diktatur hofften viele, das der staatlich sanktionierte Diebstahl rückgängig gemacht würde. (...) Auch im Einigungsvertrag und im gleichzeitig beschlossenen Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen ( Vermögensgesetz) war festgelegt, enteigneten Besitz wieder den ehemaligen Eigentümern oder ihren Erben zukommen zu lassen. (...) 625000 Alteigentümer stellten nach der Wiedervereinigung einen Antrag auf Rückgabe. Der Einigungsvertrag sah aber auch vor, daß Gerichtsurteile und Verwaltungsentscheidungen der DDR grundsätzlich weiter Bestand  hätten. (...) Das staatliche Handeln der SED wurde dadurch rückwirkend für Recht erklärt und stand nun unter dem Schutz bundesdeutscher Gesetze. (...) Tatsächlich verfolgte die Bundesregierung laut der damaligen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit dem Gesetz das Ziel, lediglich >die ganz gravierenden Akte der Willkür und politischen Verfolgung aufzugreifen<. Von Anfang an wurde dabei eine riesige Betroffenengruppe ausgeschlossen: die Opfer der sowjetischen Enteignungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit. (...) Die Ursachen dieser Ungleichbehandlung sind bis heute umstritten. (...) > Der Fortbestand der Maßnahmen zwischen 1945 und 1949<, so erklärte Kanzler Kohl im Januar 1991 vor dem Bundestag, >wurde von der Sowjetunion zur Bedingung für die Wiedervereinigung gemacht. Ich sage klar: Die Einheit Deutschlands durfte an dieser Frage nicht scheitern!< (...) Inzwischen gilt als sicher, dass es ein solches Veto nie gegeben hat. Schon im Sommer 1994 bestritt der frühere sowjetische Staatspräsident Michael Gorbatschow energisch ein derartiges Junktim. (...)

27. Buchauszug                                                                          18. November 2007 Opfer ohne Lobby                                                                                 Das lange Warten auf die Ehrenpension                                                    Im Mai 2000, als der Bundestag mit den Beratungen über die Rentenerhöhung für ehemalige Stasi-Mitarbeiter begann, einigten sich die Opferverbände deshalb auf einen Vorschlag, den sie früher schon einmal unterbreitet hatten: die Gleichstellung mit Verfolgten aus der DDR durch Einführung einer Ehrenpension. In der >Schweriner Erklärung< erinnerten die Verbände daran, daß viele Verfolgte von Sozialhilfe, Mindestrenten oder geringfügigen Invalidenrenten lebten. Die Forderung, das Vermögen der SED zur Finanzierung ihrer Rehabilitierung heranzuziehen, sei nicht eingelöst worden. (...) Während die Parteien, die gerade nicht regieren, sich für ihre Forderungen einsetzten, lehnten die Politiker, die über Regierungsmacht und Finanzen verfügten, sie regelmäßig ab. (...) In Absprache mit den Verbänden brachte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Juni 2000 erstmals den Entwurf für ein 3. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz ein. Danach sollten alle SED-Opfer, die mindestens ein Jahr in Haft gewesen oder zwei Jahre lang auf andere Weise politisch verfolgt worden waren, eine Ehrenpension erhalten. Anders als bei den NS-Opfern betrug sie nicht mehr 1400 DM, sondern 1000 DM. (...) Die Kosten des Vorhabens wurden mit 800 Millionen DM für die Haftentschädigung und jährlich 1,5 Milliarden DM für die Ehrenpension beziffert. (...) Zum Vergleich: Die jährlichen Kosten für die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der alten DDR-Eliten machen das Doppelte aus. Mit den Stimmen der rot-grünen Regierungsmehrheit wurden im Mai 2001 der Antrag vom Bundestag abgelehnt - am selben Tag, als er den Hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern die erwähnte 30-prozentige Rentenerhöhung bewilligte. Die Opfer der SED-Diktatur bedeutete die Ablehnung eine herbe Enttäuschung. (...) 2003 unternehmen die Unionsparteien einen zweiten Anlauf, (...) Auch diese beiden Gesetzesinitiativen lehnte die rot-grüne Bundestagsmehrheit im Januar 2004 ab. (...) Angesichts der ablehnenden Haltung von SPD und Bündnisgrünen sahen viele Verfolgte in einem Regierungswechsel die letzte Chance, die Ehrenpension doch noch durchzusetzen. (...) Erst im Januar 2007 einigten sich Union und SPD auf Eckpunkte einer Neuregelung. Sie sieht vor, daß Verfolgte, die mindestens ein halbes Jahr im Gefängnis gesessen haben, künftig eine Sonderrente von monatlich 250 Euro erhalten. (...) Ein Großteil der Verfolgten war freilich enttäuscht. Nicht nur die geringe Höhe der Rente stieß auf Kritik, sondern vor allem, daß sie auf Bedürftige beschränkt wurde. (...) Bei der Rentenanhebung für SED und Stasi-Funktionäre habe niemand nach deren soziale Lage gefragt. (...)

26. Buchauszug                                                                           13. November 2007 Opfer ohne Lobby                                                                                     Zwangsarbeiter ohne Unterstützung                                                        Die Ungleichbehandlung der Opfer von Kommunismus und Nationalsozialismus zeigt sich auch beim Thema Zwangsarbeit. Schätzungen zufolge wurde während der 45-jährigen kommunistischen Diktatur in Ostdeutschland etwa eine halbe Million missliebiger Bürger zur Arbeit gezwungen - in sowjetischen Arbeitslagern, Haftanstalten der DDR oder in zentralen Arbeitslagern des Ministeriums für Staatssicherheit. Insgesamt mußten in der DDR jährlich bis zu 40 000 Sträflinge zumeist körperlich schwere Arbeit verrichten; pro Jahr erwirtschafteten sie mindestens eine Milliarde Mark. Die Männer wurden in der Regel in der Industrie, auf dem Bau oder im Bergbau eingesetzt, die Frauen arbeiteten vielfach als Näherinnen, für einen Stundenlohn von wenigen Pfennigen. (...) So erhielt ein Insasse der Haftanstalt Magdebuerg-Sudenburg , der als Kabellöter arbeiten musste, einen Mindestlohn von 30 Mark. (...) Die Liste der ostdeutschen Firmen, die Häftlinge beschäftigten, umfaßt über hundert verschiedene Unternehmen. Einige davon existieren heute noch - wie die Neptunwerft in Rostock, das Zementwerk in Rüdersdorf, die Pentacon GmbH oder die VEM Sachsenwerk GmbH in Dresden. (...) Als in der Bundesrepublik im Jahr 2000 eine Entschädigungsfond von 10 Milliarden DM für ehemalige NS-Zwangsarbeiter eingerichtet wurde, betrachteten dies nicht wenige SED-Opfer mit gemischten Gefühlen. Vielen wurde schmerzhaft bewußt, wie wenig potente Fürsprecher sie selbst für ihre Anliegen hatten. (...) Nach Schätzungen des Arbeitskreises Deutsche Zwangsarbeiter (AKDZ) lebten Anfang 2002 noch etwa 9100 Menschen, die in Arbeitslagern der Sowjetunion verschleppt worden waren. Die Gesamtzahl der Anspruchberechtigen veranschlagt die Vereinigung politisch Verfolgter der DDR auf etwa 100 000 Menschen. Unter Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verlangte die Vereinigung von der Bundesrepublik deshalb eine Entschädigung von 1000 DM oder 500 Euro pro Haftmonat. (...)

25. Buchauszug                                                                            6. November 2007 Opfer ohne Lobby                                                                             Unrechtsbereinigung per Gesetz                                                           Mehr als zwei Jahre nach der Wiedervereinigung - am 29. Oktober 1992 - verabschiedete der Bundestag das >Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet<. Ehemalige politische Häftlinge aus dem Beitrittsgebiet konnten nun vor dem zuständigen Gericht ihre Rehabilitierung beantragen, die dann zu einer Haftentschädigung berechtigte. (...) Schon im Vorfeld der Verabschiedung stieß der Gesetzentwurf bei den Opfern auf massive Kritik. (...) Das Gesetz sah vor, den Opfern des SED-Regimes eine Kapitalentschädigung für die erlittene Haft zu zahlen. Für jeden Monat Gefängnis sollten sie 300 DM bekommen. Das war die Hälfte von dem, was sonst in Deutschland unschuldig in Deutschland Inhaftierte erhalten, und ein Viertel des Wertes, den früher NS-Opfer bekommen hatten. (...) Bei den Beratungen über das Gesetz hatten die Opferverbände demgegenüber vorgeschlagen, für SED-Verfolgte eine Ehrenpension nach dem Muster der NS-Entschädigung in der DDR einzuführen. Darüber hinaus hatten sie sich für besondere soziale Vergünstigungen eingesetzt, wie die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer, mehrere Tage Zusatzurlaub im Jahr, kostenlose Rechtsberatung oder die freie Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Alle diese Vorschläge hatte der Bundestag abgelehnt. (...) Für böses Blut sorgte vor allen der Fall des früheren DDR- Ministerpräsidenten Willi Stoph, der 1993 aus der Untersuchungshaft frei kam und anschließend für jeden Monat Haft 600 DM erhielt. (...) Das Unrechtsbereinigungsgesetz schloß zudem Tausende Opfer von einer Entschädigung aus. (...) Die etwa 380 000 Deutschen, die die Sowjetunion außerhalb ihrer Besatzungszone - in den deutschen Ostgebieten, in der Tschechoslowakei und in Südosteuropa  - verhaftet und größtenteils zur Zwangsarbeit verschleppt hatte, bleiben dadurch unberücksichtigt. (...)

24. Buchauszug                                                                            3. November 2007 Opfer ohne Lobby                                                                                           Verfolgte zweiter Klasse                                                                      Dabei waren die Voraussetzungen für die angemessene Würdigung der Kommunismusopfer durchaus gut. Anders als das nationalsozialistische Regime war die DDR-Diktatur nicht von außen und gegen den Willen eines Großteils der Bevölkerung, sondern durch einen Aufstand der Bürger gestürzt worden. ... Zudem war der real existierende Sozialismus nicht die erste Diktatur auf deutschen Boden gewesen. Es gab bereits eine lange Erfahrung im Umgang mit dem Nationalsozialismus. ... Im Bundesentschädigungsgesetz (BEG) vom September 1953 waren die Ansprüche bei Schäden an Leben, Körper und Gesundheit, Freiheit Eigentum, Vermögen und beruflichem Fortkommen genau geregelt. ... Bis 1987 stellen NS-Opfer in der Bundesrepublik etwa 2,8 Millionen Entschädigungsanträge und erhielten - ohne Berücksichtigung der Kaufkraft- und Einkommensunterschiede - umgerechnet rund 43 Milliarden Euro. ... Auch in der DDR gab es besondere Leistungen für NS-Opfer. ... NS-Opfer, die in der DDR eine Ehrenpension bezogen hatten, bekommen deshalb - unabhängig von anderen Sozialleistungen - eine Entschädigungsrente von 717,50 Euro (Stand 2005). Zu den Empfängern zählen auch viele ehemalige SED-Funktionäre. Bis zu seinem Tod 1994 gehörte zum Beispiel auch der frühere Staats- und Parteichef Erich Honecker dazu. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums betrug die Gesamtsumme aller Entschädigungsleistungen für NS-Opfer in der Bundesrepublik bis Ende 2005 - ohne Kaufkraftbereinigung - mehr als 63 Milliarden Euro. ... Eigentlich hätte man nach der Wiedervereinigung die Entschädigungsregelungen für NS-Opfer nur auf die Opfer der SED-Diktatur auszudehnen brachen. ... Stattdessen jedoch gab es jahrelang überhaupt kein Wiedergutmachungsgesetz für kommunistisch Verfolgte. ... Erst 1992 und 1994 verabschiedete der Bundestag Gesetze, die Schäden an Leben, Körper, Freiheit und beruflichem Fortkommen ausgleichen sollten. Diese fielen jedoch weit hinter die Regelungen für NS-Verfolgte zurück. In der Bundesrepublik entstand dadurch in Sachen Opferentschädigung eine Art Zwei-Klassen-Recht: Selbst Häftlinge, die in ein und demselben Lager gesessen haben (zum Beispiel in Buchenwald oder Sachsenhausen), erhalten unterschiedliche Wiedergutmachungen - je nachdem, ob sie vor oder nach 1945 verhaftet wurden. Viele kommunistisch Verfolgte fühlen sich deshalb als Opfer zweiter Klasse. Sie leiden nicht nur unter der geringen Wertschätzung in der Öffentlichkeit, sondern bekommen die ungleiche Behandlung auch im Portemonnaie zu spüren.

23. Buchauszug                                                                            1. November 2007 Opfer ohne Lobby
Vergessene Helden

... Herbert Pfaff arbeitete damals beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) im Westen der geteilten Stadt. ... >Es ist mir gelungen, 46 Menschen aus der DDR auszuschleusen.<. ... Herbert Pfaff gehört zu den vergessenen Helden, die für ihre Zivilcourage bitter bezahlen mußten. Im Novemeber 1964 wurde er am Grenzübergang im Berliner Bahnhof Friedrichstraße verhaftet. Ein DRK-Kollege hatte ihn an den Staatssicherheitsdienst verraten. Er kam in die zentrale Untersuchungshaftanstalt des MfS nach Berlin Hohenschönhausen: Hier hatte er in den fünfziger Jahren schon einmal in einer fensterlosen Kellerzelle gesessen. Acht Monate hielt ihn die Stasi diesmal fest, endlos zogen sich die Verhöre. Nachdem ein Schriftgutachter bestätigt hatte, daß die Passierscheinanträge seine Handschrift trugen, verurteilte ihn das Stadtgericht Groß-Berlin im Juni 1965 zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus. Die Strafe mußte er in den Haftanstalten in Cottbus und in Waldheim bis zum letzten Tag absitzen. Erst im Mai 1967 durfte er zurück nach Westberlin. Pfaffs Einsatz für die Freiheit hat ihm wenig eingebracht. Die monatliche Rente des 73-Jährigen beträgt heute 627 Euro. Herbert Pfaff ist kein Einzelfall. ...

22. Buchauszug                                                                                 5. Oktober 2007 Unterdrückung als Lebensleistung                                                        (...)  Die gehätschelte Führungsschicht, die die Zusatzrente erhielt, umfaßte Anfang 1990 rund 230 000 DDR-Bürger. (...) Obwohl sich beide deutschen Staaten 1990 darin einig waren, die Privilegien der SED-Kader abzuschaffen, ist dieses Ziel in keiner Weise erreicht worden. (...) Entscheidende Fehler wurden bereits beim Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR gemacht. Darin hieß es, daß die Ansprüche und Anwartschaften aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in die allgemeine Rentenversicherungsträger der DDR überführt werden. Sie wurden damit normalen Rentenansprüchen gleichgestellt - und zum 1. Juli 1990 eins zu eins in DM umgewandelt. Da die enormen Kosten die Leistungsfähigkeit der Rentenversicherungsträger überstiegen, sollte sie der Steuerzahler tragen. (...) Im Einigungsvertrag bekräftigten die beiden deutschen Staaten diese Vereinbarungen. (...) Die damaligen Festlegungen haben nicht nur dazu geführt, daß das Zwei-Klassen-Rentenrecht der DDR bis heute fortwirkt. Sie belasten auch immer mehr den Staatshaushalt. Ein erheblicher Teil der milliardenschweren Transferleistungen von West nach Ost fließt mittlerweile in die Taschen der alten Funktionäre. (...) So konnte ein Funktionär, der vierzig Jahre lang im SED-Apparat tätig gewesen war und davon zwanzig Jahre mehr als 30000 DDR-Mark verdient hatte, im Jahre 2000 rund 3000 DM pro Monat einstreichen. (...) Ein in der DDR freiwillig Zusatzversicherter kam dagegen nach vierzig Arbeitsjahren gerade einmal auf 2000 DM Monatsrente, ein lediglich gesetzlich Versicherter sogar nur auf gut 1500 DM. (...) Während die Renten für normale DDR-Bürger aus den allgemeinen Versicherungsbeiträgen finanziert werden, kommt für die Zusatz- und Sonderrenten der Steuerzahler auf. Alleine die Altersbezüge der knapp 290 000 Stasi-Mitarbeiter, Volksarmisten, Volkspolizisten und Zollbeamten kosten ihn nach einer Aufstellung des Bundesfinanzministeriums von 2004 jährlich rund 1,5 Milliarden Euro. Rund 200 Millionen davon entfielen auf Stasi-Rentner und deren Hinterbliebene. Insgesamt konnten sich die Angehörigen der bewaffneten Organe und der Zollverwaltung der DDR zwischen 1992 und 2003 mit mehr als 11,5 Milliarden Euro den Lebensabend versüßen. (...) Schon heute sind die Privilegierten der SED-Diktatur die eigentlichen Gewinner der Wiedervereinigung. Je länger sie daran mitwirkten, das Regime am Leben zu erhalten, desto höher sind ihre Altersbezüge. Das Geld, das für den wirtschaftlichen Wiederaufbau im Osten dringend benötigt würde, fließt ausgerechnet in die Taschen derer, die mithalfen, das Land herunterzuwirtschaften.

21. Buchauszug                                                                                 1. Oktober 2007 Täterschutz durch Gerichte                                                                   (...) Die Auseinandersetzungen um die persönliche Mitwirkung am Unterdrückungsregime der SED spielten sich jedoch nicht nur in der politischen Arena ab. Stolpe, Gysi und viele andere nach ihnen versuchten, die Kritik an ihren Stasi-Kontakten auch mit juristischen Mitteln zu unterbinden.(...) Schon in den frühen neunziger Jahren erließen die Gerichte die ersten Veröffentlichungsverbote. Als in Halle 1992 um die publik gemachte IM-Liste gestritten wurde, wandte sich die Cafebesitzerin Gabriele H. an des örtlich Landgericht und verklagte das Neue Forum darauf, die Daten ihrer IM-Registrierung nicht mehr auszulegen. Die Richter gaben der Klage statt, obwohl die Frau der Stasi in ihrer Gaststätte sogar ein Zimmer zur Verfügung gestellt hatte. Die Behauptung, sie habe für das MfS gearbeitet, so die Urteilsbegründung, sei >geeignet, das berufliche, sowie private Umfeld sowie die weitere persönliche Entwicklung der Klägerin schwer zu beeinträchtigen<.(...) Als einer der Ersten versuchte der brandenburgische Ministerpräsident Stolpe, Äußerungen über seine Vergangenheit gerichtlich zu verbieten. (...) In ähnlicher Weise wie Stolpe geht auch der PDS-Politiker Gregor Gysi gegen seine Kritiker vor. Mit zahllosen Zivilklagen ließ er Zeitungen, Journalisten und ehemalige DDR-Oppositionellen untersagen, ihn als IM zu bezeichnen. (...) Man darf gespannt sein, ob Gysi auch gegen diese Buch vorgehen wird. Der Marsch zum Hamburger Pressegericht ist längs kein Geheimtipp mehr. Für viele ist es das Erste, was sie tun, wenn sie lästige IM-Vorwürfe unterbinden wollen. (...)  Ähnlich ging die Kammer auch im Fall  der Schauspielerin Jenny Gröllmann vor. Weil ihr früherer Mann, der Schauspieler Ulrich Mühe, im Begleitbuch zum Stasi-Drama >Das Leben der Anderen<. erwähnt hatte, daß auch sie IM gewesen sei, klagte sie auf Unterlassung. (...) Frustriert erklärte Mühe: >Ich habe bis vor Kurzem gehofft, daß die ergangene gerichtliche Entscheidung den Sinn macht, unbehelligt und unbedroht das äußern zu können, was die Birthler-Behörde eindeutig und klar bestätigt hat: die zu Frau Gröllmann geführten Akten bezeugen eine freiwillige Stasi-Mitarbeit. Dieses Urteil wird erneut angefochten. Ich will meine Zeit nicht länger damit verbringen, diesen ungeheueren Vorgängen in meinem Leben Raum zu geben, denn es ist sinnlos. Ich darf und werde mich in Zukunft zu einer IM-Tätigkeit von Frau Göllmann nicht mehr äußern. Die Kanzlei Gysi mag diese Land mit einstweiligen Verfügungen zupflastern und den Akten der Birthler-Behörde noch ein paar Jahre erfolgreich jegliche Beweiskraft abjagen. Das Material wird immer da sein!< (...)

20. Buchauszug                                                                         27. September 2007 Belastete Rechtsanwälte                                                                        (...) Noch alarmierender ist die Bilanz der Anwälte. (...) Unter der Regierung des DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow (SED-PDS) und Lothar de Maiziere (CDU) erhielten Tausende von ihnen in kürzester Zeit eine Anwaltzulassung. Vielfach handelte es sich bei ihnen um Kader, die in politischen Verfahren als Richter oder Staatsanwälte gedient hatten. Hunderte waren auch Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes gewesen und hatten ihren Abschluß als >Diplomjurist<. an der Stasi-Hochschule in Potsdam gemacht. Zu den 1990 zugelassenen Rechtsanwälten zählte auch der letzte Innenminister der DDR, Peter-Michael Diestel, der bis 1989 die Rechtsabteilung eines Agrarbetriebes leitete. (...) Zu einem Rechtfertigungsbuch des früheren Mielke-Stellvertreters Schwanitz steuerte er sogar ein begeistertes Vorwort bei, in dem er behauptete: > Dieses Buch genügt wissenschaftlichen Ansprüchen und steht damit im auffälligen Gegensatz zu mehr oder minder seichten Elaboraten von Möchtegern-Historikern, Politikern im Talar, einäugigen Bürgerrechtlern sowie unzähligen Viel- und Dampfschreibern<. Daß das CDU-Mitglied Diestel trotz seiner geschichtsrevisionistischer Ausfälle noch nicht aus der Partei geworfen wurde, ist mehr als verwunderlich. (...) Während die meisten Stasi-Anwälte unerkannt mit alltäglichen Rechtsangelegenheiten befaßt sind - von Erbrecht über Arbeitsrecht bis zum Mietrecht - >spezialisierten<. sich einige Vernehmer von damals darauf, frühere SED-Funktionäre vor Gericht zu verteidigen. (...) Als besonders hartgesotten erwies sich in diesem Zusammenhang der frühere Stasi-Vernehmer Frank Osterloh. Er hatte sich 1971 als hauptamtlicher Mitarbeiter dem MfS verpflichtet und arbeitete in der zentralen Ermittlungsabteilung im Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen. Seit 1982 war er Gruppenleiter, und die Stasi-Hochschule in Potsdam promovierte ihn mit einer Arbeit über die Bekämpfung der sogenannten politischen Untergrundtätigkeit in der DDR. (...) 

 

19. Buchauszug                                                                         18. September 2007 Halbherzige Entlassungen                                                                     (...) Allein in den Ländern Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern machte man im öffentlichen Dienst bis 2005 mehr als 25 000 frühere Stasi-Mitarbeiter aus. (...) Da man die Bediensteten der Kommunen und des Bundes noch hinzu rechnen muß, dürften durch die Überprüfungen insgesamt mindestens 40 000 ehemalige MfS-Mitarbeiter aufgedeckt worden sein, (...) Gleichwohl wurden mehr als die Hälfte der im öffentlichen Dienst enttarnten Stasi-Mitarbeiter weiterbeschäftigt. (...) Da die Mitarbeiter der ostdeutschen Behörden vielfach aus dem DDR-Staatsapparat stammten, war das Interesse an einer personellen Erneuerung nicht übermäßig groß. (...) Nach Angaben der Stasi-Akten-Beauftrageten Birthler übernahmen Polizei und Grenzschutz in den neuen Ländern insgesamt 1800 hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter. (...) Ohne jede individuelle Prüfung verbeamtete die Landesregierung zudem im Dezember 1996 5200 Ost-Berliner Lehrer. In Sachsen sprach man dagegen selbst gering belasteten Lehrkräften eine Kündigung aus. (...) Unbefriedigend bleib auch die personelle Erneuerung  beim MDR. Als man die rund 2000 Mitarbeiter 2002 erneut überprüft wurden, fanden sich bei 87 von ihnen Hinweise auf eine Stasi-Tätigkeit (...) Obwohl der Personalausschuß zum Beispiel die frühere >Fakt<.-Moderatorin Sabine Hingst - bei der Stasi IM >Christine< - als >nicht zumutbar<. einschätzte, dufte sie ihren Dienst als Leiterin des Berliner MDR-Büros wieder aufnehmen; inzwischen ist sie Osteuropa-Beauftragte. (...) Ausgerechnet in der Stasi-Akten-Behörde fanden ebenfalls zahlreiche Altlasten des SED-Regimes Unterschlupf. (...) Erst im November 2006 kam das Thema erneut auf die Tagesordnung. Medienrecherchen brachten zutage, daß in der Behörde noch 54 ehemalige Stasi-Mitarbeiter tätig waren. (...) Einer von ihnen war der mittlerweile verstorbene Ex-Oberstleutnant Gerd Bäcker. (...) Die Stasi-Akten-Behörde war es auch, die im Februar 2006 den Vorschlag machte, die Überprüfungsmöglichkeiten in Deutschland weitgehend einzuschränken. (...) Nicht nur die PDS, sondern auch Bundesvizepräsident Wolfgang Thierse setzten sich (...) vehement dafür ein, die Überprüfungen weitgehend zu beenden. (...) Erst in letzter Minute distanzierte sich die Union von dem Gesetzentwurf und handelte mit der SPD einen Kompromiß aus. Danach können bis zum Jahr 2011 neben Regierungsmitglieder, Parlamentarier und Richter auch höhere Beamte weiterhin überprüft werden.

18. Buchauszug                                                                         15. September 2007 Lückenhafte Stasi-Überprüfungen                                                          (...) In der DDR hatte der hypertrophe Überwachungsapparat der SED das Vertrauen in Institutionen, Kollegen und Freunden tief erschüttert. (...) Daß man sich - anders als nach dem Ende des Nationalsozialismus - vor allem auf die kleinen Spitzel stürzte hatte eine merkwürdige Schieflage zu Folge: Während man in Amtsstuben und Universitäten nach Informanten suchte, bleiben die eigentlichen Verantwortlichen für die Diktatur - die Funktionäre der SED - weitgehend unbehelligt. (...) Das Ministerium für Staatssicherheit war kein Staat im Staat, wie manche meinten, sondern Instrument der SED oder >Schwert und Schild der Partei<. (...) Selbst in der Provinz gab der lokale Parteichef dem Stasi-Chef seine politischen Handlungsanweisungen. (...) Nicht die SED-Funktionäre, sondern die kleinen und großen Spitzel beherrschten im Wesentlichen die Debatte über die DDR-Vergangenheit. (...) Die Hauptverantwortlichen für die Diktatur rückten dabei völlig in den Hintergrund. (...) Die größten Überwinterungschancen hatten ehemalige Stasi-Mitarbeiter jedoch in Brandenburg. Bis 2002 wurde das Land von dem SED-Politiker Manfred Stolpe regiert, der selbst unter Stasi-Verdacht stand. (...) In den westdeutschen Ländern gab es so gut wie überhaupt keine Stasi-Checks. (...) Auf Bundesebene wurden die Stasi-Checks vielfach ebenfalls nur als lästiges Übel betrachtet. (...) Insbesondere die Bundesagentur für Arbeit (...) geriet deshalb in Verruf. (...) Bis 1999 wurden so in Deutschlands größter Behörde nur 5400 der 95000 Beschäftigte kontrolliert. Vielfach galten die Arbeitsämter zwischen Elbe und Oder geradezu als Zufluchtstätte ehemaliger Stasi-Mitarbeiter. (...) Die private Wirtschaft entzog sich fast völlig einer – ohnehin nur begrenzt möglichen – Überprüfung. (...) Ein besonders eklatantes Beispiel für den nachlässigen Umgang de Wirtschaft mit der SED-Diktatur ist der Fall des Präsidenten der Deutschen Bank in Moskau, Matthias Warnig, der als hauptamtlicher Major für den Staatssicherheitsdienst gearbeitet hatte und dabei auch über seinen jetzigen Arbeitgeber vertrauliche Informationen lieferte. (...)

17. Buchauszug                                                                         12. September 2007 Gnade für das Politbüro                                                                       Unter diesen Umständen ging die Führung der DDR größtenteils straffrei aus - allen voran der langjährige Staats- und Parteichef Erich Honecker. (...) Weil Honecker das Urteil aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich nicht mehr erleben werde, ließen die Richter das Verfahren einstellen - ein Beschluß, der bei Juristen auf großes Unverständnis stieß. (...) Sofort nach der Entscheidung reiste Honecker denn auch nach Chile aus. (...) Im Mittelpunkt standen damals vor allem die Vorwürfe von Amtsmissbrauch und Korruption. So kostete der Import von Westprodukten für die Politbürosiedlung Wandlitz den Staatshaushalt alleine 1989 rund 40 Mio. Mark. (...) Politbüromitglied Günter Mittag ließ für sich und seine Angehörigen sogar gleich drei Einfamilienhäuser errichten, die zusammen mehr als 5 Mio. Mark kosteten. (...) Die bundesdeutsche Justiz übernahm auch die Verfahren wegen Wahlfälschung. Gegen 51 Personen wurden die  bereits in der DDR begonnenen Prozesse weitergeführt, 82 Beschuldigte klagte man neu an. Am Ende erhielten 99 Angeklagte eine Geld- oder Bewährungsstrafe. Der Ehrenvorsitzende der PDS, Hans Modrow, wurde zum Beispiel 1995 für schuldig befunden, als SED-Chef im Bezirk Dresden während der Kommunalwahl im Mai 1989 Abgesandte zu den Wahlkommissionen geschickt zu haben, damit diese die geplanten Manipulationen vornahmen. (...) Selbst wegen der Mauertoten wurden letztlich wenig SED-Führer verurteilt. Das Verfahren gegen die Nummer zwei der DDR, Ministerpräsident Willi Stoph, wurde 1993 wegen Verhandlungsunfähigkeit beendet. Bis zu seinem Tode 1999 genoß der ehemalige DDR-Regierungschef noch sechs Jahre seines Lebensabend. (...) Alles in allem waren nur 4 der 20 Politbüromitglieder - Krenz, Mielke, Schabowski und Kleiber - für kurze Zeit in Haft.(...) Ex-Stasi-Minister Mielke, der 1993 (...) zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, erhielt bereits ein Jahr später wegen >Haftunfähigkeit< die Freiheit zurück. Er lebte noch 6 Jahre in Berlin, wo ihm die PDS-regierte Bezirk Marzahn zu seinem 90. Geburtstag sogar einen Blumenstrauß überreichte. (...) Selbst der ehemalige Verteidigungsminister Heinz Keßler (...) ist längst wieder frei.(...) Auch bei ihm gab es keine Spur von Scham oder Läuterung. Nach seiner Freilassung tummelt er sich vielmehr auf Versammlungen ehemaliger Grenzsoldaten und Stasi-Leute, bei denen die Verbrechen des SED-Regimes geleugnet und die Opfer verhöhnt werden. (...) Als unbelehrbar erwies sich nicht zuletzt der Chef der DDR-Grenztruppen, Klaus-Dieter Baumgarten, (...) Seit seiner Freilassung ist er im Stasi-Hilfsverein GRH aktiv und verteidigt dort das DDR-Grenzregime.(...)

16. Buchauszug                                                                           9. September 2007 Bewährungsstrafen für Mauerschützen                                          Ernsthafte Versuche, die Verbrechen der SED-Diktatur zu sühnen, gab es noch am ehesten bei den Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze. (...) In Wirklichkeit wurde allerdings nur ein kleiner Teil der Schuldigen für die Gewalttaten an der Grenze bestraft. Unter Berufung auf das Rückwirkungsverbot entschied der BGH, daß nur das Töten eines Flüchtlings eine Straftat darstelle – nicht aber die mindestens siebenhundert Fälle, bei denen Flüchtlinge durch feuernde Grenzer, Minen oder Selbstschussanlagen zumeist schwer verletzt worden waren. (...)   Die mehr als 3000 Ermittlungsverfahren schmolzen deshalb Mitte 2002 auf Anklagen gegen 457 Personen zusammen. Nur in 331 Fällen kam es zu einem Urteil, wobei fast einhundert Angeklagte freigesprochen wurden. Insgesamt bestraften die Gerichte also nur 230 Personen - weit weniger, als Menschen zu Tode gekommen sind. (...) Als richtungsweisend erwies sich dabei der erste Mauerschützenprozeß. Vor Gericht standen die Todesschützen im Fall des 21jährigen Chris Gueffroy, der noch im Februar 1989 an der Berliner Mauer erschossen worden war. Der Hauptangeklagte Ingo Heinrich hatte ihm damals aus einer Entfernung von unter 40 Metern statt in die Beine direkt ins Herz geschossen. Das Landgericht Berlin verurteilte ihn deshalb im Jahre 1992 zu dreieinhalb Jahren Gefängnis. Der Mitangeklagte Andreas Kühnpast, der, obwohl er mindestens 100 Meter entfernt stand, Dauerfeuer auf Gueffroy und seinen Freund abgegeben hatte, erhielt zwei Jahre Freiheitsentzug. Im März 1993 hob der BGH das Urteil wieder auf. (...) Nach diesem Urteil wagte kaum mehr ein Gericht, die vom BGH gesetzte Schwelle zu übertreten. (...) In seinem Buch >Deutsche Gerechtigkeit<. hat der Frankfurter Journalist Roman Grafe die Prozesse gegen DDR-Grenzschützen und ihre Befehlshaber nachgezeichnet. Es ist ein erschütternder Bericht über das Versagen des Rechtsstaates. (...)

15. Buchauszug                                                                           6. September 2007 Straffreiheit der Stasi-Mitarbeiter                                                          (...) deprimierend ist die Bilanz bei Straftaten ehemaliger Stasi-Angehöriger. Auch nach DDR-Recht gab es keinerlei gesetzliche Grundlage dafür, daß der Staat massenhaft Menschen überwachte, Spitzel auf sie ansetzte, ihre Wohnungen verwanzte, ihre Telefone abhörte, ihre Poste kontrollierte oder heimlich Psychoterror gegen sie ausübte.(...) Unbestraft blieb auch der Mediziner Horst Böttger. Von 1978 bis 1988 arbeitete er als Psychiater im Haftkrankenhaus des DDR-Staatssicherheitsdienstes in Berlin-Hohenschönhausen - ein Stasi-Mann im weißen Kittel. (...) 1985 promovierte ihn die Stasi-Hochschule in Potsdam mit einer Kollektivdissertation über „Die weitere Erhöhung der Effektivität der Vorbeugung und Bekämpfung feindlich-negativer Handlungen durch das MfS". (...) Der Stasi-Arzt behandelte seine Patienten so, wie es die Vernehmer wünschten. Nach der friedlichen Revolution berichteten ehemalige Häftlinge, daß ihnen Böttger mit Gewalt Tabletten und Spritzen verabreicht habe. (...) Zwei Gutachte bezeugten, Böttger habe einer Patientin ein Medikament gegeben, das ausschließlich als >letztes Mittel<. bei akuten Psychosen zu verwenden sei. (...) Das Gericht befand jedoch, dass eine absichtlich Fehlbehandlung >nicht nachweisbar< sei, und sprach Böttger frei. Bis heute betreibt er unweit seiner alten Arbeitsstätte eine Praxis für Neurologie; in einem Altersheim der Albert-Schweitzer-Stiftung betreut er psychisch Kranke. (...) Sogar die Mordanschläge des Staatssicherheitsdienstes blieben meist ohne Konsequenzen – nicht nur bei Michael Gartenschläger. Im Fall des DDR-Fußballers Lutz Eigendorf, der 1979 nach einem Fußballspiel in der Bundesrepublik blieb, ist durch Akten belegt, dass das MfS gewaltige Anstrengungen unternahm, um den >Verräter< zu liquidieren. Obwohl mehrere Offiziere gegenüber dem WDR bezeugt, dass der Autounfall, bei dem Eigendorf 1983 ums Leben kam, von der Stasi herbei geführt worden war, wurde nicht einmal ei Ermittlungsverfahren eingeleitet. (...) Aus dem Korps der 91 000 hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter musste nur einer ins Gefängnis. (...) Auch von den mindestens 600 000 überwiegend männlichen Inoffiziellen Mitarbeitern (IM), die von 1949 bis 1989 für die Stasi Spitzeldienste leisteten, wurde so gut wie keiner strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. (...)

14. Buchauszug                                                                           2. September 2007 Milde gegenüber Richtern und Gefängniswärtern                                    Besonders groß war der Verfahrensschwund bei Ermittlungen gegen Staatsanwälte, Richter und Gefängniswärtern. (...) So erhielten drei Richter lediglich eine Bewährungsstrafe, obwohl sie 1952 an den berüchtigten Waldheimer Prozessen mitgewirkt hatten, bei denen über 3400 politische Gefangene im Fließbandverfahren zu langen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt worden waren. (...) Ein Trauerspiel stellt auch die Ahndung von Gefangenenmisshandlungen dar, die in der DDR juristisch grundsätzlich nicht verfolgt wurden. Erst nach der Wiedervereinigung begannen die Staatsanwaltschaften gegen berüchtigte Schläger zu ermitteln, von denen die Häftlinge meist nur die Spitznamen wie >Roter Terror<. oder >Arafat< kannten. (...) Aus Sachsen, wo sich unter anderem so berüchtigte Haftanstalten wie das >Gelbe Elend<. in Bautzen, das Zuchthaus Waldheim und das Frauengefängnis Hoheneck befanden, liegen keine Angaben vor. Trotz Tausender Ermittlungsverfahren wurden bis Mitte 1998 nur 51 Verantwortliche angeklagt und neunzehn verurteilt. Zwölf von ihnen erhielten Geldstrafen, die übrigen sieben Bewährungsstrafen. Kein einziger mußte ins Gefängnis. Ein Studie zum Zuchthaus Brandenburg machte das Versagen der Justiz exemplarisch deutlich. (...) So lagen gegen den leitenden Gefängnisarzt diverse Anzeigen wegen unterlassener Hilfeleistung und körperlicher Misshandlung vor. Die Ermittlungen wurden jedoch eingestellt (...) der Arzt eröffnete unterdessen eine Praxis in Mecklenburg-Vorpommern. (...) Der berüchtigte Oberwachtmeister Hubert Schulze, der in der Strafvollzugsanstalt Cottbus als >Roter Terror<. jahrelang Gefangene tyrannisiert hatte, kam ebenfalls mit einem blauen Auge davon. Er erhielt zwei Jahre und acht Monate Haft, die er im offenen Vollzug verbringen durfte. (...) Von den 1795 Strafvollzugsbediensteten aus DDR-Zeiten wurden im Land Brandenburg ganze neunzig entlassen. Meist waren Spitzeldienste für die Staatssicherheit der Auslöser (...)

13. Buchauszug                                                                                31. August 2007 Strafvereitelung durch die Gerichte                                                         Die Hürden des Einigungsvertrages wurden durch eine täterfreundliche Rechtsprechung noch weiter heraufgeschraubt. (...) Mit juristischen Klimmzügen (...) erklärte die Justiz einen Großteil des SED-Unrechts für straflos. So entschied der BGH schon 1993, daß Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes nicht dafür bestraft werden könnten, daß sie heimlich Telefonate abgehört hatten. Das Fernmeldegeheimnis sei zwar in der DDR-Verfassung verankert, doch dessen Verletzung nur in der Bundesrepublik >strafbewehrt<. gewesen - in der DDR fehlte ein entsprechender Paragraph im Strafgesetzbuch. (...) Sogar der Diebstahl von Geld und Wertgegenständen aus privater Post - alleine von 1984 bis 1989 entwendete der Staatssicherheitsdienst rund 32 Millionen DM - bleib auf Beschluß des BGH straffrei. (...) Von 62 000 Ermittlungsverfahren gegen rund 100 000 Personen kamen nach einer Untersuchung der Berliner Humboldt-Universität bis Mitte 1998 nur gut ein Prozent zur Anklage (...) Fast 58 000 Verfahren hatten die Staatsanwaltschaften von sich aus eingestellt, teils an Mangel an Beweisen, teils aus Sanftmut gegenüber den Tätern, teils wegen rechtlicher Aussichtslosigkeit. (...) Mehr als 99 Prozent aller ursprünglich Beschuldigten kamen so ohne eine Strafe davon. Die Fehler der Politiker und die Rechtsprechung der Gerichte wirken zusammen wie eine gigantische Amnestie für die Verantwortlichen der SED-Diktatur.

12. Buchauszug                                                                                25. August 2007 Ermittlungen der DDR-Justiz
Niemand unternahm nach der friedlichen Revolution einen vergleichbaren Versuch, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Paradoxerweise ging ausgerechnet die DDR-Justiz noch am radikalsten gegen die gestürzten Machthaber vor. (...) Für einen Augenblick gab es sowas wie historische Gerechtigkeit. Ausgerechnet in der berüchtigten Stasi-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen saßen die Machtgewaltigen Mielke, Mittag und Stoph nun selbst ein. (...) Die DDR-Justiz trat damit die Flucht nach vorn an. Vierzig Jahre lang war sie ein willfähriges Instrument der SED-Spitze gewesen. Fast alle Staatsanwälte und Richter gehörten der herrschenden Staatspartei an. Sie hatten die zahllosen Gesetzesverstöße der oberen und unteren Funktionäre nicht nur geduldet, sonders sich auch selbst daran beteiligt, indem sie massenhaft Unschuldige angeklagt und abgeurteilt hatten. Jetzt, nach dem Sturz der Honecker-Clique, versuchten sie ihre Haut zu retten, in dem sie hastig die Seiten wechselten. (...) Als die Vereinigung der beiden deutschen Staaten näher rückte, erlahmte der Elan der DDR-Justiz. Die Staatsanwälte gingen davon aus, daß bald die bundesdeutsche Justiz die Ermittlungen übernehmen werde. Zugleich begannen sie, sich um ihre berufliche Zukunft zu sorgen, da die belasteten SED-Kader wenig Chancen auf eine Wiederbeschäftigung hatten. (...)

11. Buchauszug                                                                             23. August 2007    Der zahnlose Sieger                                                                               Der Fall Gartenschläger ist symptomatisch für die strafrechtliche Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in Deutschland. Keiner für seinen Tod Verantwortlichen mußte ins Gefängnis. (...) An einem Mangel an Straftaten kann es nicht gelegen haben. Während der SED-Diktatur wurden weit über tausend Menschen aus politischen Gründen getötet. Allein die zwischen Elbe und Oder operierenden sowjetischen Militärtribunale verurteilten zwischen 1950 und 1955 mehr als 1100 Menschen wegen >konterrevolutionärer Verbrechen< zum Tode. DDR-Gerichte ließen mindestens 52 weitere politische Gefangene enthaupten oder erschießen. (...) Mindestens 12 000 Verurteilte wurden in sowjetische Arbeitslager deportiert, wo viele von ihnen an Hunger, Kälte, Unfällen und mangelhafter medizinischer Versorgung zugrunde gingen. (...) Auch die Zahl der Grenztoten geht in die Hunderte. Wenigstens 270 Menschen wurden nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft nachweislich an der Westgrenze  der DDR durch Schüsse oder Minen getötet - vom ersten Mauertoten Günther Litfin, der im August 1961 erschossen wurde, bis zum letzten Mauertoten Chris Gueffroy, der im Februar 1989 im Maschinengewehrfeuer starb.(...) Außer Mord, Totschlag und fahrlässiger Tötung hat das SED-Regime zudem Tausende Fälle von Körperverletzung, Mordversuch und Entführung zu verantworten. An der Grenze der DDR wurden nach Angaben der Erfassungsstelle Salzgitter etwa siebenhundert Menschen zumeist schwer verletzt. (...) Noch viel größer war die Zahl der Freiheitsberaubungen. Mindestens 200 000 Menschen kamen in der DDR aus politischen Gründen ins Gefängnis. Einer statistischen Erhebung zufolge wurden alleine zwischen 1960 und 1990 230 000 Menschen wegen Delikten wie > staatsfeindliche Hetz<., >ungesetzlicher Grenzübertritt< oder >asoziales Verhalten<. verurteilt. (...) In Hunderttausenden von Fällen brach der Staatssicherheitsdienst zudem das verfassungsrechtlich geschützte Post- und Telefongeheimnis. So öffnete er in den achtziger Jahren täglich etwa 90 000 Briefe und hörten allein in Ostberlin rund 20 000 Telefonanschlüsse ab. Hunderttausende verloren zudem ihr Eigentum durch Enteignung, Zwangsaussiedlung, Flucht oder Ausreise. (...) Anders als am Ende des Nationalsozialismus gab es nach dem Sturz der SED-Diktatur keinerlei Konzepte, wie man die Verantwortlichen für das politische Unrecht zur Rechenschaft ziehen sollte. (...) >Mein Grundsatz in jener Zeit war: Wir gehen mit euch anders um, als ihr mit uns umgehen wolltet<., erklärte der Theologe Richard Schröder, damals Vorsitzender der SPD-Volkskammerfraktion, bei einer Anhörung im Bundestag im Oktober 2006<. (...)

10. Buchauszug                                                                               21. August 2007  Mord am Grenzstreifen                                                                           Für Stasi-Minister Erich Milke war es eine ungeheuere Provokation: In der Nacht zum 30. März 1976 schlich sich der ehemalige DDR-Häftling Michael Gartenschläger von der westdeutschen Seite aus an den Grenzzaun des SED-Staates und demontierte am Grenzknick Wendisch-Lieps eine der dort installierten Selbstschußanlagen vom Typ SM 70. Fünfzehn Jahre zuvor war Gartenschläger als Jugendlicher wegen Protesten gegen den Mauerbau zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Zehn Jahre später hatte ihn die Bundesregierung freikauft. Jetzt präsentiert er den Todesautomaten im "Spiegel" und widerlegte damit die Behauptung des DDR-Außenministers Oskar Fischer, es gäbe keine Selbstschußapparate an der innerdeutschen Grenze. Sein Wagemut wurde Gartenschläger zum Verhängnis. (...) In der Nacht zum 1. Mai 1976 begab er sich zum dritten Mal an die Sperranlagen, weil er ein weiteres Gerät abschrauben und aus Protest vor der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn aufbauen wollte. (...) Als sich Gartenschläger dem Grenzzaun näherte, eröffneten Spezialkämpfer das Feuer und durchsiebten seinen Körper mit Maschinengewehrkugeln. (...) Alle vier wurden nach der Tat mit dem Kampforden in Silber ausgezeichnet. Die zuständige Hauptabteilung I des Staatssicherheitsdienstes hielt später fest: >Bevor er die Tat ausführen konnte, wurde Gartenschläger durch Sicherheitskräfte der DDR liquidiert.<  Der Mord an Michael Gartenschläger ist niemals gesühnt worden. Unter dem Beifall ehemaliger Stasi-Mitarbeiter sprach das Landgericht Schwerin die drei Totesschützen Walter Lieberamm, Uwe Wienhold und Peter Raupach im März 2000 vom Mordvorwurf  frei. (...) Gegen den vierten Schützen Herbert Linß hatte die Staatsanwaltschaft erst gar keine Anklage erhoben, da er als Kronzeuge diente. (...)

9. Buchauszug                                                                                18. August 2007    Der  Fall   Gysi                                                                                            Der Fall des Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, ist in besonderer Weise geeignet, den Umgang der PDS mit den Stasi-Verstrickungen führender Parteifunktionäre zu illustrieren. (...)  Nach gründlichem Studium der Unterlagen  besteht für den Autor jedoch kein Zweifel, daß der DDR-Anwalt nicht nur eng mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet, sondern auch führende Oppositionelle bespitzt hat. Auch ein Gutachten der Stasi-Akten-Behörde und der Immunitätsausschuß des Deutschen Bundestages sind zu dem Ergebnis gekommen, daß Gysi mit dem MfS zusammengearbeitet habe. Gysis Klagen dagegen wurden vom Bundesverwaltungsgericht  und vom Bundesverfassungsgericht zurück gewiesen (wobei letzteres nicht über Wahrheit und Unwahrheit des Spitzelvorwurfes zu entscheiden hatte). Eigentlich müßte ihm deshalb wegen Mandantenverrats die Zulassung als Anwalt entzogen werden. Doch die Zivilgerichte in Berlin und Hamburg haben wiederholt geurteilt, daß ihm anhand der überlieferten Dokumente eine IM-Tätigkeit nicht nachgewiesen werden könne. Und da er jeden, der ihm diesen Vorwurf macht, deshalb mit einem Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro bedroht, wagt es kaum noch jemand, Gregor Gysi als Stasi-Spitzel zu bezeichnen. (...)                     

8. Buchauszug                                                                                  16. August 2007  Partei der Spitzel                                                                                                       Der schönfärberische Umgang mit der DDR-Vergangenheit zeigt sich besonders beim Thema Staatssicherheit. (...) In den vergangenen Jahren hat die PDS sogar immer wieder Stasi-belastete Personen mit herausgehobenen politischen Ämtern betraut (...) Als der Berliner Landesvorsitzende und Parteivice Andre Brie 1992 nachträglich einräumen mußte, fast 20 Jahre lang als IM gearbeitet zu haben, bat ihn der PDS-Parteivorstand ausdrücklich, im Amt zu bleiben. (...) Bei der Bundestagswahl 2005 schickte die Partei gleich 11 Stasi-verdächtige Kandidaten  ins Rennen. (...) 6 der Stasi-verdächtigen Kandidaten schafften tatsächlich den Einzug in den Bundestag. Neben Gysi und Bisky gehört dazu der sächsische Abgeordnete Ilja Seifert (...) Auch im Fall des Abgeordneten Roland Claus stellte der Immunitätsausschuß des Bundestages im November 2006 eine inoffizielle Tätigkeit beim Staatssicherheitsdienst als >erwiesen<. fest. (...) Seit 2005 sitzt mit Lutz Heilmann sogar erstmalig ein ehemaliger hauptamtlicher MfS-Mitarbeiter im Bundestag. (...) Der Abgeordnete Diether Dehm, früher Sozialdemokrat, beschaffte in den siebziger Jahren als IM >Willy<. vor allem Informationen über die Jungsozialisten und den SPD-Unterbezirk Südhessen. (...) Bezeichnend für den Umgang mit der Vergangenheit ist nicht zu letzt der Fall des PDS-Fraktionsvorsitzenden im sächsischen Landtag Peter Porsch. Beim MfS war er seit 1970 unter dem Decknamen >Christoph<. als IM der Spionageverwaltung HVA registriert. In einer Aktennotiz heißt es, daß er >positiv erfaßt ist und zuverläßlich arbeitet<. (...) Obwohl der Landtag sogar ein Verfahren zur Aberkennung seines Abgeordnetenmandates beschloß, ist Porsch bis heute PDS-Fraktionschef in Sachsen. Weiterhin für die Partei im Landtag sind auch Volker Külow (IM >Ostrap<.) und Klaus Bartel (IM >Andreas Förster<).

7. Buchauszug                                                                               14. August 2007     Die Verklärung einer Diktatur
(...) Noch nie hat die PDS das sozialistische System im Osten Deutschlands ohne Wenn und Aber verurteilt. (...) Es sind vor allem 3 Behauptungen, mit denen die kommunistische Diktatur im Nachhinein schön geredet wird. (...) Nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus sei sie der >legitime Versuch<. gewesen, die Konsequenzen aus dem Hitler-Regime zu ziehen und eine >bessere Gesellschaft< aufzubauen. (...) Mit diesem antifaschistischen Gründungsmythos hatte die SED schon früher ihre Gewaltherrschaft zu rechtfertigen versucht. (...) Sie übergeht damit vor allem, daß die Ostdeutschen (...) nicht die Chance erhielten, die Konsequenzen aus der Geschichte zu ziehen und eine funktionierende Demokratie aufzubauen. (...) Die (2.)Behauptung von der guten Idee, die lediglich schlecht ausgeführt worden sei, täuscht freilich darüber hinweg, daß die Durchsetzung des Sozialismus von Anfang an mit brutaler Gewalt erfolgte. (...) Die 3 Methode, mit der man die Verantwortung für das SED-Regime relativierte, ist die Forderung, man müsse bei der Beurteilung der DDR die >historischen Umstände< berücksichtigen. Nicht der kommunistische Machtwille, sondern das verbrecherische NS-System oder die Bedrohung durch den Westen im Kalten Krieg haben demnach die Gewaltmaßnahmen der SED ausgelöst. (...)

6. Buchauszug                                                                                  10. August 2007 Kleine DDR                                                                                                                    Zu den Mißverständnissen der Öffentlichkeit gehört es, daß eine demokratisch gewählte Partei auch demokratisch sei. (...) Daß ausgerechnet die Partei, die für eine vierzigjährige Diktatur verantwortlich ist, heute den Kampf >aller demokratischen Parteien<. gegen den Neonazismus fordert und dabei kaum noch ein Stirnrunzeln auslöst, zeigt, wie sehr es ihr gelungen ist, sich ein neues Image zuzulegen. (...) Während mehr als die Hälfte der 61500 Mitglieder älter als 65 sind, suggerierte sie der Öffentlichkeit mit jungen unbelasteten Kadern ein ganz anderes Bild. (...) Hinter dieser bunten Fassade sieht die PDS ganz anders aus, dort hat die Welt der SED fast bruchlos überdauert. (...) Die Fäden in der brandenburgischen PDS hält noch immer der letzte SED-Chef des Bezirkes Potsdam Heinz Vietze in der Hand, heute Geschäftsführer der PDS-Landtagsfraktion. (...) Im Spätsommer 1989 gehörte Vietze zu den Einpeitschern der Partei. Was er am 14. September auf der 7. Tagung  der SED-Kreisleitung Potsdam sagte, zirkuliert in verschiedenen Versionen, er selbst kann sich nicht mehr daran erinnern. >Wenn der Gegner sich zum direkten Kampf in seinem Schützengraben gegen uns erhebt und scharf zielt und alles einsetzt, worüber er verfügt, dann muß in der Deutschen Demokratischen Republik in diesem Schützengraben die Diskussion über das letzte Flugblatt  oder die Schützengrabenzeitung aufhören, sondern wir müssen darüber reden, wer zielt auf diesen Gegner, und zwar mit Kampfkraft, mit klassenmäßiger Position<, gab die Berliner Zeitung seine Rede wieder. (...)

5. Buchauszug                                                                                    8. August 2007 Ostpartei                                                                                              Die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) entwickelte einen radikalen Sozialpopulismus, der auf reale Handlungsspielräume und wirtschaftliche Vernunft keine Rücksicht nahm.(...) Ihre Verantwortung für das heruntergewirtschaftete Land rückte in den Hintergrund, da es scheinbar nur an den mangelnden Willen der heute Zuständigen - und am neuen System - lag, daß die Lebensverhältnisse in Ost und West weiter auseinander klafften.(...) Der Sozialpopulismus wurde begleitet vom völligen Desinteresse am Erfolg des Einigungsprozesses.(...) Der von den DDR-Bürgern durchgesetzte Beitritt zur Bundesrepublik (...) wurde als >Anschluß< diskreditiert; die frei gewählte Bundesregierung, die beständig riesige Summen in den Osten Deutschland transferierte, als >Besatzungsmacht<. verunglimpft, und die strafrechtlich Ahndung der Verbrechen der SED-Führer als >Siegerjustiz<. denunziert.(...) Eine wichtige Rolle bei den Kampagnen gegen den Vereinigungsprozeß spielte vor allem die 1991 gegründete Gesellschaft für Bürgerrechte und Menschenwürde e.V. (GBM). Hinter dem wohlklingenden Namen verbergen sich alte Funktionäre, die der DDR nachtrauern und um ihre Privilegien kämpfen.(...) Dem Verein (...) gehören 3500 DDR-Nostalgiker an (...) Darüber hinaus haben sich ihm mehrere Vereinigungen ehemaliger Stasi-Mitarbeiter angeschlossen - wie das >Insiderkomitee zur kritischen Aufarbeitung der Geschichte des MfS<. und die >Gesellschaft für rechtliche und humanitäre Unterstützung< (GRH).(...)

4. Buchauszug                                                                                   3. August 2007
Das wundersame Überleben der SED                                                                   (...) Dass die SED 1989 nicht  - wie die KPdSU 1991 in Russland und die NSDAP 1945 in Deutschland – aufgelöst und verboten wurde, gehört zu den folgenreichsten Fehlentscheidungen während der friedlichen Revolution. Clevere Funktionäre nutzten damals die Toleranz der Bürgerrechtler, die Gleichgültigkeit der westdeutschen Eliten und die Naivität vieler Demokraten (...) Der Zorn über die SED war 1989 so groß, dass nicht nur die Bevölkerung, sondern auch viele Mitglieder die Auflösung der Partei verlangten – doch eine kleine Gruppe von Funktionären verhinderte damals den Selbstmord der SED. (...) > So waren es letztendlich materielle Argumente, mit denen die formale Liquidierung einer Organisation verhindert wurde, die sich im Zustand tiefer Agonie befand<., schreiben die Politologen Gero Neubauer und Richard Stöss über die Ursachen für den Fortbestand der Partei. (...) Sie selbst bezifferte ihre Geldbestände zum 31. Dezember 1989 auf 6,1 Milliarden DDR-Mark (...) Die SED besaß aber nicht nur Milliardenbeträge, sondern auch zahllose Betriebe und Immobilien. (...) Ihr Wert wurde nach der Währungsunion auf 10 Milliarden D-Mark geschätzt, von der Partei damals jedoch nur mit 642 Millionen angegeben. Um die Gelder beiseite zu schaffen, entwickelte die Partei ein hohes Maß an krimineller Energie. > Sie hat gezielt und systematisch versucht, riesige Millionenbeträge vor dem staatliche Zugriff zu sichern <, erklärte der Vorsitzende der Untersuchungskommission, Christian von Hammerstein, im August 2006, als die Suche nach den SED-Millionen für beendet erklärt wurde. (...)

3. Buchauszug                                                                                       30. Juli 2007
"Die große Unwissenheit"
Der Beschönigung der Vergangenheit steht eine wachsende Unwissenheit über die SED-Dikdatur gegenüber.(...) im Osten Deutschlands ist mittlerweile eine neue Generation herangewachsen, die die DDR persönlich nicht mehr kennengelernt hat. Selbst Grundbegriffe jener Zeit sind vielen Jugendlichen gänzlich unbekannt. Beim Kürzel "DDR" denken einigen an einen Speicherteil im Computer, Bei "Stasi" an einen Mädchennamen oder einen Müsliriegel, die Pionierorgsanisation halten manche für eine Einheit der Bundeswehr.(...) Nennt man Jugendlichen den Namen von Stasi-Chef Erich Mielke, vermuten viele von ihnen einen Schriftsteller; Erich Honecker hielt man bei einer Straßenumfrage in Berlin für jenen Mann, der > während des Nationalsozialismus viele Juden vor dem sicheren Tod bewahrt< habe. Als ein Fernsehteam junge Leute auf der Straße des 17. Juni in Berlin nach der Bedeutung des Straßennamens fragte, tippten diese auf das Datum der Loveparade.(...)

2. Buchauszug                                                                                        21. Juli 2007 "Sehnsucht nach der Vergangenheit"
Siebzehn Jahre nach der friedlichen Revolution lebt die DDR in den Köpfen und Herzen der Menschen fort. (...) Auch die alten Jahrestage - der >Tag der Befreiung<, das Gründungsjubiläum der Nationalen Volksarmee (NVA) am 1. März und der >Tag der Grenztruppen< werden mit pathetischen Veranstaltungen gewürdigt. Die SED-Kader bilden eine verschworene Gemeinschaft, die mit der Beseitigung der DDR ihre Privilegien verloren hat und sich deshalb als Verlierer der Geschichte empfindet. (...) Weil sie in der Gegenwart nicht angekommen sind, leben sie weiter in der Vergangenheit. (...) Doch es sind nicht nur ehemalige SED-Funktionäre, die eine Sehnsucht nach der alten Zeit entwickelt haben. (...) 31 Prozent der Ostdeutschen sind der Meinung, die DDR sei keine Diktatur gewesen - obwohl sie wissen, daß es dort weder demokratische Wahlen noch Meinungsfreiheit gab. 74 Prozent der Ostdeutschen glauben, der Sozialismus sei eine gute Idee gewesen - obgleich die meisten dabei waren, als diese >gute Idee< 1989 gescheitert ist. (...) Aus einzelnen Erinnerungsstücken konstruiert sich der Mensch eine neue Vergangenheit, die ihm das Leben in der Gegenwart erleichtert. (...)

1. Buchauszug                                                                                        18. Juli 2007 „Eine Trauerfeier in Berlin“                  
(...) „ Es ist die Trauerfeier für Markus Wolf, einst stellvertretender Minister für Staatssicherheit der DDR und zweiter Mann hinter Stasi-Chef Erich Mielke. (...) Am Eingang der Kapelle hängt ein Bild des Toten, der am 9. November 2006, dem siebzehnten Jahrestag des Mauerfalls, im Alter von 83 Jahren entschlafen ist. (...) Bei der Trauerfeier für den Generaloberst spricht als Erster der russische Botschafter in Berlin, Wladimir Kotenew. Er sagt, dass Deutschland mit Markus Wolf einen >großartigen Menschen< und >einen seiner größten Söhne< verloren habe.(...)>Nur die, die reinen Herzens sind, verabschieden sich im Schlaf aus dem Leben.< Zahllose Stasi-Offiziere sind gekommen, um sich von Wolf zu verabschieden, darunter die beiden Mielke-Stellvertreter Gerhard Neiber und Werner Großmann. (...) ferner Ex-Vizeverteidigungsminister Fritz Strelitz, der 1993 wegen mehrfachen Totschlags an Flüchtenden zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Nahezu geschlossen angetreten ist die Spitze der Linkspartei.PDS: Ehrenvorsitzender Hans Modrow, Parteichef Lothar Bisky, Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch (...)                            

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